Herculaneum, warum sich ein Besuch der antiken Stätte lohnt

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Der Bauer, der 1709 im Auftrag des Prinzen d’Elbeuf einen Brunnen ausschachten wollte, muss einigermaßen erstaunt gewesen sein, als er plötzlich auf die Reste eines großen Amphitheaters stieß.

Er hatte damit die antike Stadt Herculaneum entdeckt. Sie wurde wie das nur 20 km entfernte Pompeji und die südlicheren Küstenorte Stabiae und Oplontis beim gewaltigen Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 n.u.Z. komplett verschüttet und war in Vergessenheit geraten.

Blick über die Ausgrabungsstätte Herculaneum
Ausgrabungsstätte Herculaneum, im Hintergrund das neue Ercolano © Siegbert Mattheis

Lohnt sich ein Besuch von Herculaneum?

Herculaneum ist etwas kleiner als Pompeji und wird manchmal als die kleine Schwester des berühmten Nachbarortes angesehen. Das schlägt sich auch in den Besucherzahlen nieder. Während Pompeji jährlich Millionen von Urlaubern und Hobby-Archäologen anzieht (inzwischen spricht man hier von Overtourism), finden nur einige Zehntausend Besucher den Weg nach Herculaneum. Dabei sind die Ausgrabungen teilweise sogar interessanter und ein Besuch lohnt sich unserer Meinung nach definitiv! Der antike Ort ist nur etwa zur Hälfte ausgegraben, der Rest befindet sich immer noch unter einer 20 m dicken Tuffsteinschicht, auf der sich die neue Stadt Ercolano erhebt.

Strasse mit Resten von Säulen
Eine Straße in Herculaneum © Siegbert Mattheis

Was ist der Unterschied von Herculaneum zu Pompeji?

  • In Herculaneum sind die erhaltenen Gebäude in einem weitaus besseren Zustand als in Pompeji.
  • Herculaneum war eine reichere Stadt direkt an der Küste mit vielen Villen, eine Art Seebad für reiche Römer.
  • Hier starben die Bewohner durch die enorme Hitze eines pyroklastischen Stroms, in Pompeji hingegen wurden die meisten durch einen Asche- und Steinregen getötet.
  • In Herculaneum sind noch viele verkohlte organische Materialien zu sehen. Viele verstorbene Bewohner sind als Skelette erhalten, im Pompeji wurden die Hohlräume der verwesten Gestalten mit Gips aufgefüllt.
  • Die ausgegrabenen Straßen sind hier etwas schmaler und haben auch keine Steine als Übergänge.
Säulenreihe vor blauem Himmel
Säulengang im Haus des Argus, Casa d'Argo © Siegbert Mattheis
Eine U-förmige Theke mit eingelassenen Amphoren
Hier wurde gegessen und getrunken, in den eingelassenen Amphoren lagerten die Waren © Siegbert Mattheis
Gerade Straße mit Bürgersteig, oben im Hintergrund die neue Stadt
Die Cardo V Superiore © Siegbert Mattheis

Wie starben die Menschen in Herculaneum?

Der Ausbruch des Vesuvs dauerte mehrere Tage und erfolgte in mehreren unterschiedlichen Wellen. Zuerst traf Pompeji ein Asche- und Lapilliregen, der Dächer einstürzen ließ und viele Bewohner tötete. Herculaneum war davon zunächst kaum betroffen, sodass die meisten noch genügend Zeit hatten, sich über das Meer in Sicherheit zu bringen.
Am nächsten Morgen gegen 1 Uhr jedoch raste ein über 400 °C heißer, zumeist gasförmiger pyroklastischer Strom mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 km/h auf Herculaneum zu.

Aber in den Bootshäusern am Meer harrten noch etwa 300 Menschen aus, sie hatten entweder Zuflucht unter den stabilen Tonnengewölben gesucht oder warteten auf Boote. Die enorme Hitze ließ sie in Sekundenschnelle verdampfen. Diese Skelette wurden erst 1983 gefunden, bis dahin war man davon ausgegangen, dass sich fast alle Bewohner retten konnten. Besonders berührend war der Fund der Leiche einer jungen schwangeren Frau, die kurz vor der Entbindung stand. Aus ihrem Bauch wurden die Überreste eines ungeborenen Kindes von etwa acht Monaten geborgen. Die Leiche einer anderen Frau, die reich mit Ohrringen, Juwelen und Armbändern geschmückt war, wurde damals in der Presse als “Signora dei gioielli” (dt. Frau mit Schmucksachen) vorgestellt. Diese Juwelen wurden übrigens 1990 zusammen mit anderen wertvollen Fundstücken aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel, gestohlen und sind bisher nicht wieder aufgetaucht.

Mehrere Skelette in gemauertem Raum
Erst 1983 wurden diese Skelette in den Bootshäusern ausgegraben © Siegbert Mattheis
Skelette zusammengekauert
Die Menschen mussten glücklicherweise nicht lange leiden © Siegbert Mattheis

Warum sind viele Gebäude in Herculaneum noch so gut erhalten?

Der erste pyroklastische Strom führte wenig Material mit, sodass die meisten Gebäude dadurch kaum beschädigt, organisches Material wie Holz oder Lebensmittel allerdings sofort karbonisiert wurden.

Einige weitere pyroklastische Ströme folgten, diesmal zähflüssiger und mit mehr vulkanischem Material. Diese schlichen sich bis in die letzten Ritzen der Gebäude und verfüllten sie nahezu komplett. Der spätere Asche- und Steinregen konnte somit die Dächer nicht mehr vollständig zerstören, bedeckte aber die gesamte Gegend unter einer über 20 m dicken Tuffsteindecke. Dadurch wurde auch die Küste etwa 450 m weiter ins Meer geschoben. Unter der dichten Masse lag Herculaneum über 1.600 Jahre praktisch abgeschlossen von Luft.

Innenraum in Herculaneum mit rot und weiß bemalten Wänden
Wohnhaus in Herculaneum © Siegbert Mattheis
Farbiger Stuck in grauer Mauer
Überall findet man noch kleine Details © Claudia Mattheis
Kleiner Schrein
Mosaikverzierter Schrein im Haus des Skeletts © Siegbert Mattheis
Hoher Raum mit verkohlter Holzwand
Das Haus mit erhaltener hölzerner Zwischenwand, die das Tablinium vom Atrium trennte © Siegbert Mattheis
Breite Straße mit Brunnen
Die Hauptstraße, Decumanus Maximus. Links hinter dem Gebäude ist die restliche Stadt noch unter Tuffstein begraben © Siegbert Mattheis
Theke mit eingelassenen Amphoren
Ein typisches Ladengeschäft © Siegbert Mattheis
Dekorative Malerei
Wundervolle Wandmalereien in vielen Häusern © Siegbert Mattheis

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Einige Sehenswürdigkeiten in Herculaneum

Der Plan der Ausgrabungen (Sie können sich den Plan hier herunterladen) listet über 40 Sehenswürdigkeiten auf, unter anderem die etwas außerhalb gelegene

  • Villa dei Papiri, in der über Tausende verkohlte Schriftrollen aus Papyrus gefunden wurden, die heute mit modernster Infrarottechnik teilweise entziffert werden konnten.
  • Sehenswert sind weiterhin die Forumsthermen mit getrennten Bereichen für Männer und Frauen,
  • das Haus der Hirsche, so benannt nach einer dort gefundenen Skulptur eines Hirsches, der von Hunden angefallen wird,
  • der Decumanus Maximus, die breite Hauptstraße am östlichen Ende,
  • das Kollegium der Ausgustalen mit vielen Wandmalereien,
  • das Haus mit der hölzernen Zwischenwand sowie auch
  • das Haus der verkohlten Möbel.
  • Beeindruckend, aber auch verstörend sind die Bootshäuser mit den Hunderten von Skeletten.
  • das Haus des Argus (Casa d’Argo), in diesem reichen Wohnhaus mit Garten und Säulengang fand man bei den Ausgrabungen Gefäße mit Korn, Öl, Linsen und Feigen.

Wundern Sie sich nicht, wenn Sie bei manchen Hauseingängen vielleicht Ihren Kopf einziehen müssen: die Menschen damals waren durchschnittlich 20 Zentimeter kleiner als heute.

Apsis von außen und überdachte Säulen
Forumsthermen © Siegbert Mattheis
Blumen-Stuckdetail in Rot, Blau und Weiß
Dekoration in den Forumsthermen © Claudia Mattheis
Marmorbank
Hier saßen die Badenden oder legten ihre Sachen ab © Siegbert Mattheis
Apsis mit rundem gemauerten Block
Die Apsis der Forumsthermen © Siegbert Mattheis
Großer Sockel, davor ein kleinerer mit Statue
Der heilige Platz, Area Sacra © Siegbert Mattheis
zwei reich bemalte Räume in Blau, Weiß und Roto
Halle der sog. Augustalen, die mit der Durchführung des Kaiserkultes betraut waren © Siegbert Mattheis
2 unbekleidete Männer in rotem Rahmen
Wandgemälde in der Halle der Augustalen © Siegbert Mattheis
Wand-Inschrift mit 4 Weinkaraffen
Ladenschild an der Decamanus Maximus © Siegbert Mattheis
Relief eines liegenden Mannes mit Stab
Reliefdetail © Siegbert Mattheis

Öffnungszeiten, Eintrittspreis, Anfahrt und Tipps

  • Vom 16. März bis 14. Oktober: 9.30 bis 19.30 Uhr (letzter Einlass 18 Uhr; die archäologische Stätte muss um 19 Uhr verlassen werden)
  • Vom 15. Oktober bis 15. März: 8.30 bis 17.00 Uhr (letzter Einlass 15.30 Uhr; die archäologische Stätte muss um 16.40 Uhr verlassen werden)
  • Geschlossen: jeden MITTWOCH, sowie am 1. Januar und 25. Dezember.

ACHTUNG: Die angegebenen Schließzeiten beziehen sich auf die Schließung der Tore des Parks. Es wird daher empfohlen, den archäologischen Bereich und die Erfrischungsbereiche zu verlassen und sich rechtzeitig zum Ausgang zu begeben.

Weiter Infos auf der Seite des Parco Archeologico di Ercolano (leider nur auf Italienisch)

Eintrittspreis: 13 Euro (Stand 2022)

Wie gelangt man zu den Ausgrabungen?

Es fährt ein Zug vom Bahnhof Termini in Neapel ab und bringt Sie in etwa 2 bis 3 Stunden zum Bahnhof Ercolano Scavi.
Mit dem Auto ist der Ort von Neapel aus in etwa 40 Min. zu erreichen. Direkt neben der Ausgrabungsstätte finden Sie den Parkplatz Parcheggio Scavi Ercolano.

Was sollte man zu den Herculaneum Ausgrabungen mitbringen?

Festes Schuhwerk ist sehr zu empfehlen. Die Ausgrabungsstätte verfügt nicht über etwaige Schließfächer, daher ist es ratsam, nur eine kleine Tasche mitzunehmen. Es gibt eine kleine Snack Bar im Eingangsbereich. In der Umgebung finden Sie leider nicht viele Gaststätten.

 

Siegbert Mattheis

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