Wie kam es dazu, dass innerhalb von nur wenigen Jahren die schnöde Ölsardine vom Notproviant zur Feinschmecker-Delikatesse avancierte? Was sind Jahrgangssardinen? Und warum gibt es inzwischen reine Dosenfisch-Restaurants?
Sardinen in Öl, leckerer als gedacht
Eigentlich hatte es uns lediglich das schöne Design im Vintage-Look angetan, als wir einige Fischkonserven aus Marseille von Les Belles de Marseille * mit nach Hause nahmen. Dann schmückten sie monatelang unsere Küche auf einem Regal an der Wand. Bis wir eines Tages mal abends keine Lust aufs Kochen hatten. Aber Hunger hatten wir trotzdem. Frisches Brot war da, also opferten wir eine dieser wunderschönen Dosen. In der Erwartung des relativ neutralen Geschmacks einer Fischkonserve, wie wir sie aus früheren Zeiten kannten.
Und dann die große Überraschung: diese vollmundigen, saftigen Sardinen in erstklassigem Bio-Olivenöl eingelegt waren derart fein und vorzüglich! Kein Vergleich mit den Sardinen von früher! Danach waren wir beinahe süchtig nach Sardinen in Dosen, probierten alle möglichen Geschmacksrichtungen und Fischarten wie Tunfisch, Makrelen, Pulpo und sogar Seeschnecken etc.
Fein und harmonisch abgeschmeckte Ölsardinen
Dabei entdeckten wir wunderbar harmonisch abgeschmeckte Fischkonserven mit Olivenöl pur, mit Zitrone, mit Chili, mit Kräutern, mit fein abgeschmeckter Tomatensauce, mal mehr oder weniger pikant, mit Algen, mit kreolischer Marinade, mit Pumquats … Und wir konnten das Geheimnis der Jahrgangssardinen lüften.
In Portugal fanden wir mehrere Läden nur mit Fischkonserven, wie z. B. die „Mundo fantástica da Sardinha Portuguesa“ des Herstellers Comur. Portugal ist ohnehin berühmt für seine Tradition der Sardellenfischerei und reichen Vorkommen an Sardinen und Sardellen.

Restaurants exklusiv nur mit Dosenfisch
In Marseille besuchten wir anschließend mehrfach das kleine Restaurant Sard‘in in der Straße hinter dem Vieux Port, das einzig und allein Fischkonserven auf den Tisch brachte. Allerdings raffiniert serviert mit feinen Beilagen und Krusten-Brot. 2015 von einigen jungen Feinschmeckern ins Leben gerufen war es „le premier bar à sardines au monde“ und wurde hochgelobt in der französischen Presse. Zu Recht, wie wir fanden. Leider hat es seit 2020 geschlossen. Dafür machten es ihnen andere Food-Enthusiasten nach. Inzwischen gibt es in vielen andern großen Städten wie Lissabon, London, Bordeaux und seit Neuestem auch in Berlin solche reinen Dosenfisch-Delikatessen-Restaurants.

Wie isst man Sardinen aus der Dose am besten?
Ganz einfach pur, entweder auf oder mit Weißbrot. Als Begleitung zu den Sardinen in Öl bietet sich ein guter Weißwein an, z. B. ein Vinho verde oder aber auch trockener Manzanilla- und Fino-Sherry. Bei den Jahrgangssardinen kommt es sehr darauf an, ob der Fisch mit zusätzlichen Aromen eingelegt wurde. Unser Tipp: einfach mal alles ausprobieren!


Was sind Jahrgangssardinen?
Anders als es die Assoziation zu den Jahrgängen eines Weins vermuten lässt, geht es bei den Jahrgangssardinen weniger um gute oder schlechte Jahre und Witterungsbedingungen. Vielmehr handelt es sich bei den “sardines millésimées” um die Luxusversion von Ölsardinen. Es werden nur die besten Fische verwendet, die ausnahmslos aus Fängen im September stammen, denn dann sind sie gut genährt. Und sie kommen ausschließlich in allerfeinstes, ausgesuchtes Olivenöl. Auch die anderen Zutaten sind von bester Qualität.
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Wann kam der Imagewandel?
Dadurch konnten die Franzosen als Erste Anfang der 2000er Jahre den Imagewandel von der herkömmlichen Ölsardine hin zum Luxusprodukt für Feinschmecker herbeiführen.
Wie lange sollten Jahrgangssardinen reifen?
Werden die Dosen mit der Jahrgangsaufschrift auch noch mehrere Jahre gelagert, entfalten sich die Nuancen der Zutaten weiter und entwickeln ein feineres Geschmackserlebnis. Experten halten eine Reifezeit von fünf bis sechs Jahren für optimal. Dazu sollten die Dosen etwa alle 6 Monate umgedreht werden, damit das Öl wirklich überall hinkommt. So können auf diese Weise echte Sammlerstücke entstehen, für die manche auch schon mal bis zu 50 Euro pro Konserve bezahlen.
Wie gesund sind Sardinen?
Sardinen sind extrem gesund. Nicht nur, dass in einer eine 250 g-Portion immerhin die Hälfte der täglich empfohlenen Menge Jod steckt, auch die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren der Fische sind von großer Bedeutung für unseren menschlichen Stoffwechsel. Darüber hinaus schützen sie Herz und Kreislauf und enthalten viel Vitamin B6. Das ebenfalls in Sardinen steckende Vitamin D stärkt Zähne und Knochen und dient als Schutz vor Osteoporose. Mehr darüber auch bei eatsmarter.

Was ist der Unterschied von Sardinen und Sardellen?
Sardinen sind rundlich, größer und werden knapp 30 cm lang. Sardellen sind die kleineren und schlankeren der beiden Fischarten. Diese werden meist mit Salz haltbar gemacht, in Olivenöl eingelegt und als Sardellenfilets verkauft. Salz macht sie mürbe und sehr intensiv im Geschmack. Schon die Römer produzierten aus den Sardellen mit Schichten von Salz und mit Hilfe der Sonne einen begehrten Luxusartikel, die Fischsauce Garum. Die wird übrigens seit kurzem wieder hergestellt! Eine ähnliche Fischsauce findet man in der Colatura di Alici, vor allem aus Cetara an der Amalfiküste.


Wie nachhaltig werden Sardinen gefangen?
Sardinen sind eine sich schnell vermehrende Fischart. Dadurch sind sie kaum anfällig für Überfischung. Laut WWF sind auch die Auswirkungen auf das Ökosystem bei der Sardinenfischerei sehr gering. Denn die Fischerei mit Ringwaden und pelagischen Schleppnetzen ist vergleichsweise selektiv und hat kaum Umweltauswirkungen. Da Sardinen große Schwärme bilden, gibt es auch wenig Beifang, allerdings können insbesondere kleine, noch nicht laichreife Tiere mitgefangen werden. Die Netze haben keine Bodenberührung und schädigen so keine empfindlichen Bodenlebensgemeinschaften.
Wie sind Ölsardinen entstanden?
Wie kam es dazu, dass Fisch und auch andere Lebensmittel in Dosen verpackt wurden? Nun, wie bei vielen anderen Erfindungen stellte das Militär die Anforderung.
Napoleon gab den Anstoß
Napoleon hatte 1795 einen hohen Preis für ein Verfahren ausgelobt, mit dem man Nahrungsmittel haltbar machen und die Soldaten ohne Plünderungen ernähren konnte. Der Pariser Konditor und Zuckerbäcker Nicolas Appert kam 1810 auf die Idee, Lebensmittel in luftdicht verschlossenen Glasbehältern zu erhitzen und dadurch zu konservieren und erhielt das Preisgeld.
Ein Brite erfand die Konservendose
Der britische Kaufmann Peter Durand setzte die Methode von Appert anschließend mit Blechkanistern um und erfand somit die Konservendose.
Erste Konservenfabrik 1813
Aber erst die Briten Bryan Donkin und John Hall eröffneten 1813 eine Konservenfabrik und belieferten damit die britische Armee. Danach schossen in allen Ländern Konservenfabriken aus dem Boden, vor allem an den Küstengebieten der Normandie, an der Biskaya und in Portugal, wo es Unmengen an Sardinenschwärmen gab.
Ölsardinen halten sich lange
Inzwischen nehmen wir aus jedem Land, das wir bereisen und in dem es Sardinen in Dosen gibt, jede Menge mit. Zumal sie sich durch die vielen wunderschönen Verpackungen, mal Vintage, mal designerpreiswürdig auch als Geschenk wunderbar eignen. Darüber hinaus sind sie über viele Jahre haltbar. Und immer, wenn mal der kleine Hunger kommt, machen wir eine Dose auf – und schlemmen 😉 .
Siegbert Mattheis
Siegbert Mattheis, Jahrgang 1959, ist seit seinem ersten Italienaufenthalt 1977 vom mediterranen Lebensgefühl begeistert. Seitdem bereist er mehrmals im Jahr die Länder rund um das Mittelmeer. Nach seinen Studien Kommunikationsdesign, Philosophie, Wissenschaftstheorie und Kunstgeschichte gründete er eine Werbeagentur, die er seit 1998 gemeinsam mit seiner Frau Claudia Mattheis führt. 2002 bauten beide gemeinsam Ambiente–Mediterran.de auf, das inzwischen größte Lifestyle-Magazin rund um die mediterrane Kultur. Darüber hinaus ist er Fachjournalist und Fotograf, begeisterter Hobbykoch und Liebhaber stilvoller Einrichtung. Gründliche Recherche und Liebe zum Detail gehören zu seinen Leidenschaften. Mit seiner Frau lebt er in Berlin Prenzlauer Berg.