Seht in Griechenland doch mal nach oben: Denn da fallen euch beim Betrachten der alten neoklassizistischen und traditionellen Gebäude vielleicht die Verzierung der Dächer auf: Kanten und Ecken der Dächer sind mit besonderen Bordüren aus hochkantigen Dachziegeln geschmückt, die hübsche Flora oder göttliche Köpfe abbilden, Akrokeramo oder Antefixum genannt:
Was ist ein Akrokeramo oder Antefixum?
Diese besonderen Ziegel, die ausschließlich im griechischen Raum und nur für eine kurze Periode beim Bau der römischen Tempel in Etrurien, bei den Etruskern, verwendet wurden, heißen Akrokeramo (άκρα = Rand, κέραμος = Ton) – Antefixum auf Lateinisch, “Bird stop” auf Englisch, letztendlich “Acroterio” allgemein in der Fachsprache der Architektur. Ihre Geschichte fängt vor ca. 3.000 Jahren an.
Aus Ton, Marmor, Stein …
Obwohl ihr Name das Wort “Ton” beinhaltet, wurden sie je nach Gebäude auch aus Marmor, Stein, Zement oder sogar Metall gebaut. Fein, kompliziert oder schlicht, groß oder klein, von ganz einfach bis edel.
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Dachkonstruktionen in der Architektur
Für die Architektur ist die Form des Daches von gewaltiger Bedeutung. Die Neigung und dadurch die gesamte Gestaltung des Daches wird durch Kultur, Witterung und technische Möglichkeiten bestimmt – ein starker Winkel von ca. 45 Grad war Jahrhunderte lang fast global die Regel.
Anders bei den griechischen – hier: dorischen – Dächern: Um die mörtellosen Verbindungen der flachen mittleren Dachziegel zu befestigen und die Lücken an den Kanten des Daches zu schließen, entwarfen die Griechen schon im 23. Jh. v. Chr. die Akrokerama. Ihr Gewicht stabilisierte die gesamte Dachkonstruktion und schützte vor den extrem starken Winden. Dadurch konnten die Dächer mit einer viel niedrigeren Neigung von ca. 15-30 Grad, wasserabweisend und dicht gebaut werden.
Warum musste man die Lücken am Dach versiegeln?
Das Versiegeln der Lücken am Rand des Daches war aber auch von großer Bedeutung: Genau dort, im schattigen Schutz des Daches, legen gern die Vögel ihre Eier. Diese wiederum sind eine einladende Leckerei für Schlangen, die zwar – nach Tradition – glücksbringend sind und damit nicht getötet werden dürfen, trotzdem ungern im Haus gesehen werden. Dies hat die Gestaltung der Akrokerama stark beeinflusst: giftige Pflanzen, schlangenerschreckende Blätter (Akanthus, Phoenix) und Medusen- oder Götterköpfe – um nur einige der über 2.000 Motive zu benennen.
Die Akrokeramo wurde im Neoklassizismus wiederentdeckt
Die Kunst des Akrokeramos wurde in der ganzen Antike bis zum Mittelalter weiter ausgeübt, nach und nach verlor sie aber immer mehr an Bedeutung. Als Griechenland im 19. Jh. eigenständig wurde, bereisten immer mehr Architekten das Land und studierten die zahllosen architektonischen Elemente und Stile. Eine Neubelebung der antiken Architektur, der sogenannte “Neoklassizismus” entstand: Kleanthos, Schinkel, Stuart, Revett, Schaubert, Hansen, von Klenze, von Gärtner, Kaftatzoglou, Kalkos, Ziller und viele mehr haben nach antikem Vorbild bedeutende Gebäude in der ganzen Welt neu errichtet.
Akrokeramo nur noch im Museum
Dieser war aber auch der letzte Höhepunkt der Kunst des Akrokeramos. Mit der Entwicklung der modernen Baumethoden, vor allem des Flachdaches aus Beton wurde die Verwendung dieser wunderschönen Dachziegel schnell abgeschafft. Ohne nennenswerte Denkmalschutzregeln und aus dringendem Bedarf nach neuem Wohnraum sind die meisten alten Gebäude und damit auch die Akrokerama verschwunden. Private Sammler aber auch zahlreiche Museen besitzen die letzten wertvollen Bestände.
Mit etwas Glück und meist zu einem stolzen Preis, findet ihr auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden noch einige Exemplare.
Christina Giakoumelou