Rembetiko, der „griechische Blues“

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Rembetiko: Warum verzweifeln die Griechen nicht völlig angesichts der katastrophalen Lage in ihrem Land?

Vielleicht liegt es daran, dass im kollektiven Gedächtnis des letzten Jahrhunderts viel Leiden abgespeichert ist. Die brutale Besetzung durch die Italiener, anschließend durch die Deutschen im 2. Weltkrieg. In den 60er und 70er Jahren Unterdrückung durch die Militärdiktatur, die viele Griechen ins Ausland trieb.

Und nicht zuletzt die traumatische Vertreibung aus Izmir, Smyrna und aus Istanbul 1922.

Tanzen zu Rembetika-Musik © Siegbert Mattheis

Tanzen zu Rembetika-Musik © Siegbert Mattheis

In dieser Zeit entstand auch der Rembetiko, der als Klagelied über die erlebten Leiden in der Vertreibung entstand und später auch die ganz normalen Beschwernisse des Alltags, der Liebe, der Eifersucht und die Irritationen des ganzen Lebens überhaupt zum Thema nahm. Zu dieser Musik und den Texten, mit denen sich jeder mühelos identifizieren kann, lässt sich wunderbar tanzen. Und durch die melancholischen Töne lässt sich das Schicksal leichter ertragen.

Rembetiko Athen: Mezes und Ouzo gehören dazu @ Siegbert Mattheis

Mezes und Ouzo gehören dazu @ Siegbert Mattheis

Sonntag nachmittags in Griechenland trifft sich z.B. in Athen in einer Taverne ein Querschnitt der Bevölkerung von 18 bis 80 zum gemeinschaftlichen Essen, Trinken und Tanzen zu Rembetika-Musik. Das ist dann kein gesitteter Gesellschaftstanz, sondern hier wird der Schmerz und das Leiden gewissermaßen weggetanzt.

Rembetiko: 2 Männer tanzen © Siegbert Mattheis

Sonntag nachmittag in der Taverne © Siegbert Mattheis

Es beginnt damit, dass sich vielleicht zwei ältere Männer oder eine junge Frau, die ihr eigenes Schicksal in einem Text über enttäuschte Liebe wiederzuerkennen glaubt, allein auf die Tanzfläche begibt und sich der Musik mit geschlossenen Augen hingibt. Nun kommen andere hinzu, denen es entweder ähnlich geht und beginnen ebenfalls zu tanzen, jeder zunächst für sich allein. Dann gibt es aber auch welche, denen es zwar aktuell in der Liebe gut geht, die aber den Schmerz sehr gut nachempfinden können. Diese knien sich an den Rand der Tanzfläche und klatschen den Tänzern unterstützend zu. So wird aus dem einzelnen und oft einsam gefühlten Schmerz ein geteilter, kollektiver Schmerz. Und geteiltes Leid ist wie wir alle wissen, halbes Leid.

Rembetiko bei Youtube ansehen und anhören 

Siegbert Mattheis

Rembetiko hier trifft sich Alt und Jung © Siegbert Mattheis

Sonntag nachmittag trifft sich Alt und Jung © Siegbert Mattheis

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