Kaminspiegel aus Frankreich

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Warum entstanden die ersten Kaminspiegel in Frankreich? Warum haben Kaminspiegel unten gerade Rahmenkanten? Und was haben Venedig, Industriespionage und Ludwig XIV. damit zu tun?

Große Spiegel machen Räume heller, lassen sie größer wirken und eröffnen andere Raumperspektiven. Intelligent platziert, können sie ganze Raumwunder schaffen. Werden kleine Spiegel eher als Bilder an der Wand wahrgenommen, können große Spiegel eigenständige Akzente in der Raumgestaltung setzen, vor allem wenn sie von opulenten Rahmen begrenzt werden.

Kaminspiegel links im Arbeitszimmer von Ludwig XIV. im Schloss Versailles © Wikipedia
Kaminspiegel links im Arbeitszimmer von Ludwig XIV. im Schloss Versailles © Wikipedia

Warum aber gerade waren Kaminspiegel aus Frankreich die Vorreiter der großen Spiegel?

Die Geschichte des Spiegels

Bereits um 3000 v. Chr. wurden in Ägypten kleine Handspiegel aus poliertem Metall hergestellt. Die Griechen erfanden im 6. Jahrhundert v. Chr. den Standspiegel, um 450 v. Chr. auch den KlappspiegeL Erste, allerdings noch sehr zierliche Glasspiegel entstanden im Römischen Reich – kleine konvexe Formen, die mit Blei- oder Zinnfolie belegt waren.

Das Wissen und die Technik der Spiegelglasherstellung ging im westlichen Europa jedoch in den Zeiten der Völkerwanderung verloren. Nur in Konstantinopel, dem früheren Byzanz wurde Spiegelglas in größerem Stil hergestellt. Beim 4. Kreuzzug um 1204 unter venezianischer Führung wurde die Stadt, obwohl von Christen bewohnt, angegriffen, ausgeraubt und das Know-how der Spiegelglasherstellung nach Venedig transferiert.

Murano hatte das Glasmonopol über mehrere Jahrhunderte

Dort entwickelte sich schnell ein Monopol, dass die Venezianer sorgsam hüteten. Da es jedoch durch die hohen Brenntemperaturen bei der Glasherstellung oft zu Bränden in der dicht besiedelten Stadt kam, wurde bereits 1295 die Auslagerung der Glasproduktion auf die Insel Murano per Dekret des Dogen Pietro Gradenigo beschlossen. Glasmacher waren nun per Gesetz verpflichtet, auf der abgeschotteten Insel zu leben und durften sie nur mit Sondergenehmigung verlassen. Es war ihnen nun bei Androhung der Todesstrafe verboten, die Geheimnisse ihrer Kunst weiterzugeben. So sollte die Vormachtstellung Venedigs in der Glas- und Spiegelherstellung gesichert werden, was auch über mehrere Jahrhunderte gelang. Im 16. Jahrhundert kamen durch die verstärkte Einführung von Zylinderglas große Glasspiegel in Mode, die fast ausschließlich aus Murano zu beziehen waren.

Das forderte den Unmut des französischen Königs Ludwig XIV. hervor, der im Jahre 1661 das Schloss in Versailles als repräsentativen Regierungssitz ausbauen und ihn mit einem großen Spiegelsaal in bis dahin noch nie gekannten Ausmaßen ausstatten wollte.

Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille © Siegbert Mattheis
Sich gegenüber liegende Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille © Siegbert Mattheis
Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille, heute ein Museum © Siegbert Mattheis
Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille, heute ein Museum © Siegbert Mattheis

Der Sonnenkönig Ludwig XIV. schickte Spione nach Murano

Er schickte Spione nach Murano, die zum einen die Meister der Spiegelglasherstellung abwerben und zum anderen das Know-how abziehen sollten. Das gelang auch und Ludwig XIV. erteilte 1665 auf Betreiben seines mächtigen Ministers Colbert dem Finanzmann Nicolas Dunoyer und seinen Partnern ein exklusives Herstellungsprivileg für Spiegelglas – mit dem Ziel, die Monopolstellung der Republik Venedig auf Europas Spiegelmarkt zu brechen.

Einige Jahre später, 1688, entwickelte die nun königliche Spiegelglasmanufaktur das revolutionäre Tischwalzverfahren, wodurch noch größere Spiegelflächen möglich wurden. Die Hauptproduktionsstätte entstand in Saint-Gobain, einem kleinen Dorf in der Normandie.
Diese Glasmanufaktur gibt es heute noch unter dem Namen Compagnie de Saint-Gobain.

Durch die Strahlkraft des Versailler Schlosses, das in vielen Teilen Europas von gekrönten Häuptern nachgeahmt wurde, erlebten Spiegel im 17. und 18. Jhdt. ihre Hochblüte.
Fantasie- und prunkvoll gestaltet, waren sie als Repräsentationsmöbel schnell fester Bestandteil der Wohnungen adliger und zu Reichtum gekommener Bürger und eröffneten ihnen auch neue Wege der Raumgestaltung. So entstanden auch Spiegelkabinette, in denen Spiegel zur Steigerung von teilweise illusionistisch wirkenden Effekten eingesetzt wurden.

Die Funktion eines Kaminspiegels

Die wichtigste Funktion der großen Spiegel war es jedoch, Räume vor allem abends heller zu machen, die damals ja nur durch Feuerschein von Kerzen, Kaminen oder Öllampen erleuchtet werden konnten.

In den großen, repräsentativen Räumen der Villen gab es immer zwei sich gegenüberliegende Kamine. So platzierte man die Spiegel jeweils genau über den Kaminen, um so den Schein des gegenüberliegenden Kaminfeuers zu vervielfachen. Auch durch auf den Kaminsimsen aufgestellte Kerzenleuchter erstrahlten nun die Räume heller. Da die riesigen Spiegel anfangs noch zu schwer waren, um sie an der Wand aufzuhängen, mussten sie unten einen geraden Abschluss haben, um sie auf den Sims stellen zu können.

Später kam man auf die Idee, sie in den Putz einzuarbeiten. So bedeckten sie – nun als feste Einbauten – auch Decke und Wände, dadurch war der gerade untere Abschluss nicht mehr zwingend notwendig. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts eroberten die Spiegel auch die Wohnungen aller sozialen Schichten.

Siegbert Mattheis

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Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille © Siegbert Mattheis
Kaminspiegel im Schloss Borély in Marseille © Siegbert Mattheis
Kaminspiegel in der Villa "La Grande Maison de Bernard Magrez" in Bordeaux © Siegbert Mattheis
Kaminspiegel in der Villa "La Grande Maison de Bernard Magrez" in Bordeaux © Siegbert Mattheis
Kaminzimmer in der provenzalischen "Domaine des Clos" bei Beaucaire © Siegbert Mattheis
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