Noto, eine Stadt ganz im sizilianischen Barock

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Die Stadt Noto am südöstlichen Zipfel Siziliens solltet ihr unbedingt besuchen, wenn ihr in Sizilien seid! Denn sie ist ein echtes Juwel barocker Städtebaukunst!

Imposante Gebäude in einem einheitlich beige-ockerfarbenen Ton mit konkaven und konvexen Fassaden, üppigen Dekorationen, prunkvollen Treppen und geschwungenen Balkonen mit schmiedeeisernen Gittern bestimmen beinahe das gesamte Stadtbild, mit Straßenzügen wie am Reißbrett entworfen. Wie kam es dazu?

Warum ist Noto so schön?

Am 11. Januar 1693 zerstörte ein verheerendes Erdbeben große Teile Ostsiziliens im Val di Noto und den Südwesten von Kalabrien. Das Hauptbeben löste einen Tsunami aus. Mehr als 60.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Mindestens 12 Städte wurden damals schwer verwüstet, u.a. Catania, Ragusa und Noto.

Die beeindruckende Kathedrale San Nicolò mit gewaltigem Treppenaufgang © Siegbert Mattheis
Die beeindruckende Kathedrale San Nicolò © Siegbert Mattheis

Noto wurde fast vollständig zerstört

Die Stadt Noto auf dem Berg Alveria war am schwersten vom Erdbeben heimgesucht worden, hier stand so gut wie nichts mehr. Die Verantwortung für den Wiederaufbau Siziliens lag in den Händen des spanischen Vizekönigs, dem Herzog von Camastra. Der sizilianische Grundbesitzer und Intellektuelle Giovanni Battista Landolina, “Marchese di S. Alfano”, überzeugte ihn davon, dass der Wiederaufbau der Stadt etwa 9 km südlich vom ehemaligen Standort entfernt in einer flacheren Gegend erfolgen sollte.

Reichlich mit Akanthusblättern und weiteren Ornamenten verzierter Balkon © Siegbert Mattheis
Reichlich mit Akanthusblättern und weiteren Ornamenten verzierter Balkon © Siegbert Mattheis

Stadt nach einem barocken System

Landolinas städtebauliche Philosophie basierte auf dem barocken System, in dem eine Stadt nach gesellschaftlichem Rang und Position aufgeteilt werden sollte. Der Adel sollte die höchsten Plätze erhalten, die Kirche sollte in der Mitte stehen, um ihre Position im Zentrum des Lebens zu reflektieren, und die Armen sollten sich in der Peripherie der Stadt, in der niemand sonst leben wollte, ansiedeln. Landolinas Sohn Francesco baute übrigens sein neues Haus, den “Palazzo Landolina” im Stadtzentrum neben der neuen Kathedrale um 1730 und durchbrach damit die Philosophie seines Vaters .

Wiederaufbauprogramm im Val die Noto

In den Jahrzehnten nach dem Erdbeben wurde ein umfangreiches und ehrgeiziges Wiederaufbauprogramm gestartet. Spanien beherrschte Sizilien damals als Vizekönigreich. Es war die Zeit des Hochbarock, wenige Jahre zuvor war eine der größten Palastanlagen Europas, das Schloss Versailles nahe Paris im barocken Stil fertiggestellt worden, beeinflusst von italienischen Architekten und Bildhauern wie Gian Lorenzo Bernini. Die Wiege des Barock war in Rom, und so lag es nahe, die Städte im Val di Noto auch im barocken Stil wieder aufzubauen.

"Triumph der Säulen": Palazzo Ducezio gegenüber der Kathedrale © Siegbert Mattheis
"Triumph der Säulen": Palazzo Ducezio gegenüber der Kathedrale © Siegbert Mattheis

Eine Stadt am Reißbrett entworfen

Landolina entwarf die Stadt ab etwa 1725 mit Hilfe von jungen lokalen Architekten, u.a. Rosario Gagliardi (geboren 1698 in Syrakus) und dessen späteren Schülern Francesco Paolo Labisi (geboren 1720 in Noto) und Vincenzo Sinatra (ebenfalls um 1720 in Noto geboren). Zu Sinatras Hauptwerk zählt der Palazzo Ducezio, den er 1746 im Alter von 26 Jahren nach Vorbildern französischer Paläste entwarf, der aber erst 1830 fertiggestellt wurde.

Noto wurde wie ein Schachbrettmuster angelegt, mit rechtwinkligen Straßenzügen und großzügig gestalteten Plätzen.

Rosario Gagliardi, Francesco Paolo Labisi und Vincenzo Sinatra sowie Giovanni Battista Vaccarini, der große Teile Catanias wieder aufbaute, gelten heute als die wichtigsten Vertreter einer speziellen Variante des Barock, des Sizilianischen Barock, der sehr viel Wert auf die Fassadengestaltung legte und einige Besonderheiten aufweist.

Typisch für den Sizilianischen Barock: aufwändig geschwungene Eisengitter an Balkonen © Siegbert Mattheis
Typisch für den Sizilianischen Barock: aufwändig geschwungene Eisengitter an Balkonen © Siegbert Mattheis

Merkmale des Sizilianischen Barock

Der barocke Stil ist stark verschnörkelt und spielt – gerne in Verbindung mit Skulpturen – mit den Kontrasten zwischen Licht und Schatten. Besondere Merkmale des Sizilianischen Barock sind z.B. Masken und Putten, die häufig an Balkonen, Zierleisten oder an Säulen zu finden sind. Balkone wurden mit stark verschnörkelten schmiedeeisernen Geländern versehen, die es vorher an Balkonen nicht gab.

Langgestreckte und gewundene Treppenaufgänge führen zur ersten Etage; abgeschrägte, nach innen oder außen gewölbte Fassaden sind ein weiteres typisches Merkmal des sizilianischen Barock.

Auch Glockentürme wurden erstmals direkt auf den Kirchen errichtet, nicht wie damals in Italien üblich, neben den Kirchengebäuden. Die Glocken zeigte man offen und integrierte sie in die Fassade. Steinoberflächen wurden mit Reliefs von Akanthusblättern, Fischschuppen oder Muscheln verziert.

Grauer und schwarzer Lavastein wurde insbesondere in Catania oder Acireale als Kontrast zum hellen Kalktuff verwendet, da er dort zur Genüge vorhanden war.

Putten und Figuren sind typisch für den Sizilianischen Barock © Siegbert Mattheis
Putten und Figuren sind typisch für den Sizilianischen Barock © Siegbert Mattheis

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Sehenswürdigkeiten in Noto

Gerade in Noto findet ihr eine ausgeprägte Homogenität des sizilianischen Barocks wieder, die Stadt ist ein unübertroffenes Werk barocker Stadtbaukunst. Am besten erkennbar ist das in den Straßen rund um die Kathedrale, die 1776 eingeweiht wurde. Ihr Glockenturm stürzte 1996 übrigens ein, die Kathedrale wurde daraufhin in den Jahren 1999 bis 2007 jedoch wieder aufwändig restauriert.

Neben der imposanten Kathedrale ist der gegenüberliegende Palazzo Ducezio, heute das Rathaus von Noto sehenswert, mit anmutigen Rundbögen geschmückt und “Triumph der Säulen” genannt. Auch den Palazzo Trigona und die Kirche San Carlo al Corso solltet ihr nicht versäumen. Aber im Grunde ist es die ganze Stadt, die mit barocken Fassaden in einem einheitlichen beigen Farbton des hier verwendeten Kalktuffs beeindruckt. Dieses Material ist allerdings leider nicht allzu beständig, ihr könnt mit den bloßen Fingern (aber bitte nicht!) die Fassaden zerbröseln. Solche Spuren seht ihr überall an den Gebäuden. Seit die UNESCO 2002 Noto und das Val di Noto zum Weltkulturerbe erklärt hatte, werden viele Bauten restauriert.

Kalktuff ist leider nicht sehr beständig © Siegbert Mattheis
Kalktuff ist leider nicht sehr beständig © Siegbert Mattheis
Sizilianischer Barock in Reinform, hier in Acireale © Siegbert Mattheis
Sizilianischer Barock in Reinform, hier in Acireale © Siegbert Mattheis

Woher kommt der Name Val di Noto?

Der Begriff Val kommt in diesem Fall nicht vom italienischen valle (also Tal), das oft mit Val abgekürzt wird, sondern von der Bezeichnung vallo, die eine Verwaltungseinheit aus der Zeit der arabischen Besetzung Siziliens darstellt. Damals war Sizilien in nur 3 große Verwaltungsgebiete unterteilt. Der Name “Noto” wurde von den Arabern gewählt, um auf die Schönheit und Bedeutung Notos hinzuweisen (das arabische Wort Noto hatte die gleiche Bedeutung wie das italienische heute, “populär, wohlbekannt”).

Parken in Noto

Die Stadt ist in der Nebensaison nicht allzu sehr von Touristen überlaufen, daher findet ihr in der Regel in den Seitenstraßen sicher noch einen Parkplatz. Ansonsten gibt es einen größeren Parkplatz am Eingang des Ortes, den Parcheggio Centrale. Von dort aus liegt das Zentrum nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt.

Siegbert Mattheis

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