Calçotada in Katalonien: Der köstliche Duft von angebratenen Zwiebeln liegt in der Luft. Rauchschwaden ziehen träge durch die Gassen. Unter das Stimmengewirr und Lachen mischt sich das Knistern von brennenden Zeigen. Es ist Zwiebelfest, Calçotada in der Stadt Valls und in ganz Katalonien.

Was sind Calçots?
Calçots sind eine spezielle Art von Frühlingszwiebeln oder Lauchzwiebeln, die milder und süßer schmecken als ihre Verwandten. Sie wachsen lang und weiß, weil sie während des Wachstums immer wieder mit Erde bedeckt werden – ähnlich wie beim Spargel. Daher auch der Name „calçar“ (katalanisch für „anhäufeln“).
Was passiert bei einer Calçotada?
Bei einer Calçotada werden die Calçots traditionell über offenem Feuer gegrillt, bis sie außen richtig schwarz und innen schön weich sind. Danach wickelt man sie in Zeitungspapier, damit sie nachgaren. Serviert werden sie stilgerecht auf halbrunden Terracotta-Dachziegeln (inzwischen auch auf Papptellern) mit einer köstlichen Romesco– oder Salvitxada-Sauce. Das ist eine würzige Mischung aus Tomaten, Mandeln, Knoblauch, Paprika, Olivenöl und Essig.
Wie isst man die Calçots?
Und jetzt kommt der Spaß: Man isst sie mit den Fingern! Ihr zieht die verkohlte äußere Schicht ab, tunkt den weichen Kern in die Sauce und lasst ihn euch genüsslich in den Mund hängen – am besten im Stehen und mit einem Lätzchen um den Hals. Man könnte eine Calçotada auch umschreiben als “in fröhlicher Runde gemeinsam rumsauen” 😉 Denn ob man rußige Finger bekommt, sich mit der leckeren Sauce oder mit Rotwein aus dem Porrón bekleckert, so ganz unbeschadet kommt niemand davon. Aber dafür ist die Calçotada ungemein lustig und fördert neue Bekanntschaften. Und Kleckern ist ausdrücklich erlaubt!
Was gibt’s noch zu den Calçots dazu?
Nach dem Zwiebelspaß folgt meist eine zweite Runde mit gegrilltem Fleisch, Lammkoteletts, Wurst oder Artischocken, dazu Brot, Oliven, Wein oder Cava – und als Nachtisch oft eine katalanische Crème brûlée, die Crema Catalana.
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Bedruckte Lätzchen zur Calçotada
Da das Schälen der Zwiebeln zwangsläufig zu schwarzen Fingern führt und Kleckern beim Eintunken in die Sauce unvermeidbar ist, gehört es zur Tradition, sich beim Essen mit einem Lätzchen zu schützen. Diese werden oft von Restaurants oder Unternehmen verteilt, natürlich mit entsprechender Werbebotschaft. Die katalanische Spezialität ist mittlerweile so beliebt, dass sie auch in Restaurants und auf anderen Straßenfesten verzehrt wird.
Rotwein aus dem Porrón oder Cava
Das typische Getränk dazu ist katalanischer Rotwein, * gerne aus dem Porrón, * (katalanisch Porró), einem Trinkgefäß mit einem trichterförmigen Schnabel. Man legt dazu den Kopf in den Nacken und lässt den dünnen Strahl aus dem Trinkrohr in den Mund schießen. Wer es schafft, dabei den Porrón immer weiter weg zu halten, hat Applaus sicher! Mit etwas Übung geht das ganz leicht 😉
Natürlich kann man den Wein auch aus einem Glas trinken. Oder einen feinen katalanischen Cava dazu.
Wann findet die Calçotada statt?
Die Saison beginnt meist schon im November und geht bis in den März oder April. Früher aß man diese Spezialität zu Hause oder auf dem Feld mit Familie und Freunden. Seit 1982 wurde in Valls daraus ein Fest auf der Strasse, die Calcotada war geboren. Dort, in der „Hauptstadt der Calçots“, findet jedes Jahr Ende Januar das große Calçot-Fest statt – mit Wettbewerben im Calçot-Essen und einer riesigen Volksfeststimmung. Heute pilgern über 400.000 Touristen aus aller Welt in den Ort, um mit den Einwohnern zu feiern und massenhaft Calçots zu verspeisen. Der Calçot aus Valls ist sogar eine eingetragene EU-geschützte geografische Angabe.
Calçotada Wettbewerb
Besonders Mutige und solche mit einem resistenten Magen nehmen bei der Calçotada auch am Wettbewerb teil. Wer in 45 Minuten die meisten Calçots in sich hineinstopft, geht als Sieger hervor. Der Rekord liegt bei 300 Calçots, das entspricht etwa einem Gewicht von 3,8 kg!
Wie entstanden die Calçots?
In Valls in der Nähe von Tarragona, soll vor über 150 Jahren dem Bauern Xat de Benaiges einmal ein Bund lauchähnliche Frühlingszwiebeln ins offene Feuer gerutscht sein. Zu schade, um die Zwiebeln einfach verbrennen zu lassen, fischte er sie aus dem Feuer, zog die verkohlte oberste Schicht ab, biss in den warmen Stengel hinein – und war begeistert vom zarten Geschmack. Er beschloss, eine etwas andere Anbaumethode zu versuchen und steckte die Knollen von bereits geernteten Zwiebeln wieder in die Erde. Aus diesen Trieben entstanden wiederum Zwiebeln, aber mit einem weitaus feineren und milderen Geschmack, die Calçots waren geboren!
Die Calçotada, ein Fest der Freundschaft
Eine Calçotada ist viel mehr als nur ein Essen – es ist ein Fest der Freundschaft, des Frühlings und des guten Geschmacks. Wenn ihr mal zur richtigen Zeit in Katalonien seid: Unbedingt mitmachen! Und keine Sorge, Lätzchen sind inklusive 😉 ! Wir jedenfalls hatten viel Spaß auf der Calçotada!
Siegbert Mattheis
Siegbert Mattheis, Jahrgang 1959, ist seit seinem ersten Italienaufenthalt 1977 vom mediterranen Lebensgefühl begeistert. Seitdem bereist er mehrmals im Jahr die Länder rund um das Mittelmeer. Nach seinen Studien Kommunikationsdesign, Philosophie, Wissenschaftstheorie und Kunstgeschichte gründete er eine Werbeagentur, die er seit 1998 gemeinsam mit seiner Frau Claudia Mattheis führt. 2002 bauten beide gemeinsam Ambiente–Mediterran.de auf, das inzwischen größte Lifestyle-Magazin rund um die mediterrane Kultur. Darüber hinaus ist er Fachjournalist und Fotograf, begeisterter Hobbykoch und Liebhaber stilvoller Einrichtung. Gründliche Recherche und Liebe zum Detail gehören zu seinen Leidenschaften. Mit seiner Frau lebt er in Berlin Prenzlauer Berg.