Zucker, wie kam die Süße in unsere Welt?

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Süße Desserts und Zucker sind für uns heute selbstverständlich. Aber bis der Zucker als erschwingliches Gut aus den mediterranen Ländern zu uns gelangte, dauerte es Jahrtausende. Und die Geschichte ist geprägt von unermesslichem Reichtum und unsäglichem menschlichen Leid.

Honig als ältestes Süßungsmittel

Schon in der Steinzeit nutzte der Mensch weltweit Honig als süßes Nahrungsmittel. Die zweite Quelle für Süßes war Trockenobst. Aber das entdeckte man erst sehr viel später im Nahen Osten. Trauben, Datteln oder Feigen fielen von den Reben oder Bäumen und wurden dort durch die Hitze der Sonne getrocknet. Das Trocknen von Obst war so die erste Konservierung von Lebensmitteln.

Zuckerrohr aus Neuguinea

Zuckerrohr, aus dem wir heute etwa 80 % unseres Zuckers beziehen, ist eine endemische Pflanze aus Neuguinea. Dort wurde sie schon vor über 8.000 Jahren genutzt und angebaut. Um etwa 6000 v. Chr. gelangte Zuckerrohr nach Indien, China und später nach Persien. Von dort stammt außerdem eine der ältesten Süßspeisen der Welt, Baklava.

Zuckerrohranbau auf Madeira © Siegbert Mattheis

Wie kam der Zucker nach Europa?

Alexander der Große brachte auf seinen Feldzügen um 325 v. Chr. erstmalig Zucker nach Europa mit. So wurde er in der griechischen Welt und später in Rom bekannt. Dennoch blieb er ein seltenes und extrem teures Importgut, das vor allem medizinisch genutzt wurde. Versuche, die empfindliche Pflanze anzubauen, schlugen vielerorts fehl. Denn sie braucht subtropisches Klima und viel Regen, darf aber nie im Wasser stehen. Zudem stellt sie ihr Wachstum bei Temperaturen unter 15 Grad ein.

Grünes Zuckerrohr
Junges Zuckerrohr © Siegbert Mattheis
Zuckerrohr in schwarzer Kiste
Zuckerrohr in den Geschäften © Siegbert Mattheis

Erst den Arabern gelang es im 8. Jahrhundert n. Chr., Zuckerrohr im mediterranen Klima in Nordafrika, Spanien und später auch in Sizilien anzubauen. Sie verfeinerten zudem die Techniken zur Zuckerproduktion und exportierten Zucker in größeren Mengen nach Nordeuropa. Dennoch blieb er im Mittelalter ein Luxusgut und nur den Adeligen und reichen Bürgern vorbehalten.

Madeira und die ersten Zuckerrohrplantagen

Als die Portugiesen 1419 die unbewohnte Insel Madeira (wieder-) entdeckten, fanden sie dort optimale Bedingungen für den Zuckerrohranbau vor. Heinrich der Seefahrer ließ schon nur 6 Jahre später Stecklinge aus Sizilien importieren und auf Madeira anpflanzen. Schnell wurden erste Zuckerrohrfabriken hochgezogen und ein regelrechter Hype um das “weiße Gold” entstand.

Modell einer alten Zuckermühle
Modell einer alten Zuckermühle im Stadtmuseum Funchal © Siegbert Mattheis

Denn mit Zucker ließen sich enorme Summen verdienen und das restliche Europa riss sich um diese süße Köstlichkeit. Italiener, Franzosen, Engländer und Spanier stiegen auf Madeira in den Zuckerhandel ein und häuften riesige Reichtümer an. Aber die Plantagenarbeit und die Produktion erforderten eine hohe Anzahl von Arbeitskräften, und so begannen die Portugiesen als erste mit Sklavenhandel im großen Maßstab.

Arbeiterin in einer Zuckkerrohrplantage auf Madeira © Engenhos da Calheta
Zuckkerrohrverarbeitung auf Madeira © Engenhos da Calheta

Zuckerrohr in der Kolonialzeit

Im Laufe der Zeit wurden Zuckerrohrplantagen auch in anderen Teilen der Welt angelegt, zunächst auf São Tomé vor Afrika, dann in Brasilien und später in der Karibik. Der Handel mit dem Luxusprodukt Zucker wurde zu einem wichtigen Geschäftszweig für europäische Händler und Kolonialmächte.

Im 17. und 18. Jahrhundert kontrollierten erst die Niederlande und dann England den Zuckerhandel und die Zuckerproduktion in ihren Kolonien in der Karibik und stiegen ebenfalls in den Sklavenhandel ein. Über 17 Mio. Menschen aus Afrika wurden für die Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen in den Zucker-, Kaffee- und später den Baumwollplantagen versklavt.

Postkarte mit Szene aus einer Zuckerrohplantage im 19. Jh.
Postkarte im MUCEM, Marseille © Siegbert Mattheis

Zucker aus Zuckerrüben

1747 entdeckte der Berliner Chemiker Andreas Sigismund Marggraf erstmals den Zuckergehalt in Runkelrüben. So begann man allmählich gezielt den Zuckeranteil durch Züchtungen verschiedener Rübenarten zu erhöhen, denn die Rübe wuchs auch in gemäßigteren Breiten. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war Rübenzucker der wichtigste Exportartikel des Deutschen Reiches. Um das Jahr 1900 verbrauchte ein Mensch durchschnittlich übrigens nur 3 g Zucker pro Tag. Heute nehmen wir täglich 110 g zu uns!

Frau mit Zuckerrübe in der Hand
Etwa 20 Prozent unseres Zuckers kommt heute von der Zuckerrübe © DiedovStock, Adobe

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Wie wurde früher Zucker aus Zuckerrohr gewonnen?

Die langen Stängel des Zuckerrohrs wurden maschinell gepresst, der auslaufende Saft anschließend gereinigt und in riesigen Kupferkesseln zu Sirup gekocht. Diese Melasse wurde dann in trichterförmige Behälter aus Ton gefüllt. Durch ein Loch unten floss die überschüssige Flüssigkeit ab, während der kristallisierte Zucker im Gefäß verblieb. Umgestülpt ergab es einen Zuckerhut, der so in den Handel kam.

Riesige Kupferkessel
In diesen Kupferkesseln wird die Melasse gekocht © Siegbert Mattheis
Zuckerform aus Ton aus dem späten 15. Jh. im Zuckermuseum Funchal © Siegbert Mattheis
Zuckerhut im Zuckermuseum auf Madeira © Siegbert Mattheis

Die überschüssige Melasse wurde früher entsorgt, bis man erstmalig in der Karibik auf die Idee kam, daraus Rum herzustellen. Auch aus Zuckerrohrmost wird Rum gewonnen, wie z. B. Cachaça in Brasilien.

Zuckerfabrik Engenhos do Norte in Porto da Cruz, heute wird hier vorwiegend Rum hergestellt © Siegbert Mattheis
Frisch gepresster Zuckerrohrsaft © Siegbert Mattheis
Rum 970 von der Zuckerrohrfabrik Engenhas do Norte in Porto da Cruz auf Madeira © Siegbert Mattheis

Wie entstand die Dessertkultur?

Süßspeisen kannten zwar auch schon die alten Römer und die Araber nutzten Zucker bereits für viele süße Spezialitäten. Aber erst ab 1453 entwickelte sich in Istanbul allmählich eine Dessertkultur. Denn der Eroberer Konstantinopels, Mehmet II. war ein Feinschmecker mit einer Vorliebe für große Festgelage in seinem Topkapı-Palast. Er beschäftigte eine Vielzahl von spezialisierten Köchen, z. B. die baklavacı für süßes Gebäck. Diese kreativen Zuckerbäcker des Palastes ließen sich immer neue Versionen der überlieferten Süßspeisen einfallen. Von hier aus breiteten sich solche Desserts über das gesamte Osmanische Reich aus. Die Vielzahl dieser Gerichte, die damals entstanden, sind heute unter dem Namen „Palastküche“ bekannt.

Lest auch Baklava, eine der ältesten Süßspeisen der Welt.

Im 17. Jahrhundert gelangte die Kunde davon auch an die Höfe Frankreichs. Hatte man vorher noch Süßes und Salziges nicht getrennt, ging man nun allmählich dazu über, den letzten Gang für Süßspeisen zu reservieren. So entwickelte sich unser heutiges Dessert. Dementsprechend stammt der Name aus dem französischen Wort “desservir” „die Speisen abtragen, den Tisch abräumen“.

In Frankreich ist man in letzter Zeit in den Restaurants dazu übergegangen, zum Abschluss der Mahlzeiten einen Café Gourmand anzubieten. Das ist ein Espresso mit einer Auswahl an Mini-Desserts. Diese kleinen Petit Fours und andere süßen Leckereien stehen nicht extra auf der Karte, es sind also immer Überraschungen! Aber jedes Mal aufs Neue köstlich!

Espresso mit kleinen Desserts und Sahne
Café Gourmand, immer eine köstliche Überraschung, hier in Nizza © Siegbert Mattheis
Espresso mit Desserts
Leider lecker! © Siegbert Mattheis

Siegbert Mattheis

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