Ferragosto, wie und warum der wichtigste Feiertag Italiens gefeiert wird …

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Ferragosto am 15. August in Italien ist ein weltweit einzigartiger Feiertag! Und zudem eine der ältesten Feiern in Europa mit einer kuriosen Geschichte dahinter. Ferragosto hat mit blutigen Schlachten, dem Selbstmord von Kleopatra, mit Maria, der Mutter von Jesus, kaltblütiger Bestechung und Mussolini zu tun. Dazu mehr weiter unten. Aber was macht Ferragosto so besonders?

Straße ohne Autos in Genua, Italien
Die Städte sind an Ferragosto wie leergefegt, viele Geschäfte haben geschlossen ... © Depositphotos

Was ist Ferragosto?

Ferragosto ist Italiens wichtigster Feiertag jedes Jahr am 15. August. Er fällt mit Mariä Himmelfahrt zusammen, den alle katholischen Länder ebenfalls feiern. In Italien hat er aber zusätzlich noch eine ganz besondere Bedeutung, auf die wir gleich noch kommen werden.

Was bedeutet Ferragosto?

Ferragosto stammt aus den lateinischem Worten feriae augusti, auf Deutsch Feiern des Augustus. Der erste römische Kaiser feierte 3 Tage lang vom 13. bis 15. August im Jahre 29 v. Chr. seinen Sieg über Ägypten. Dazu hatte er angeordnet, dass diese Zeit nicht nur für die freien Römer, sondern auch für die Sklaven arbeitsfrei sei.

Die katholische Kirche legte etwa 600 Jahre später Mariä Himmelfahrt auf den 15. August.

Illustration eines Strandpicknicks mit Wein, Obst, Brot und dem Text Buon Ferragosto! über dem Kopf.
Motiv zum Ferragosto © Siegbert Mattheis, KI

Was bedeutet buon ferragosto?

In Italien ist es üblich, zum Ferragosto zu gratulieren und sich gegenseitig einen “schönen Ferragosto”-Feiertag bzw. eine schöne Zeit rund um den Feiertag zu wünschen. Wenn man also buon ferragosto sagt, ist das in etwa so, wie man sich bei uns “Schöne Weihnachten” oder “Frohe Ostern” wünscht. Für die Italiener:innen ist ferragosto ohnhin wie Weihnachten und Ostern zusammen.

Wie lange dauert Ferragosto?

An sich ist nur der 15. August ferragosto, aber in Italien nennt man so auch die Tage, an denen man sich rund um dieses Datum Urlaub nimmt. Das ganze Land ist im Urlaubsmodus: Geschäfte schließen, Städte ruhen, Strände platzen aus allen Nähten.

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Wie wird Ferragosto gefeiert?

Schon am Vorabend, am 14. August bieten viele Restaurants und Bars ein sogenanntes Cena di Ferragosto an, ein Ferragosto-Abendessen mit Willkommensdrink und Live-Musik.

Zwei Männer grillen im Freien, einer hält eine Zange, auf einem Tisch in der Nähe liegen Würstchen und Teller.
Grillen auf dem Land in der Familie © Siegbert Mattheis
Mann, der auf einem Markt im Freien Meeresfrüchte grillt und in die Kamera lächelt. Im Hintergrund sind Tische und Menschen zu sehen.
Überall an den Straßen wird gegrillt © Siegbert Mattheis

Feiern mit Familie und Freunden

Gefeiert wird der Tag mit der ganzen Familie oder mit Freunden. Ein besonderer Brauch ist Pranzo di Ferragosto, ein ausgedehntes Mittagessen mit traditionellen Gerichten und saisonalen Köstlichkeiten. Dieses Essen steht oft im Mittelpunkt der Feierlichkeiten. Wenn die Räume zu klein sind, veranstaltet man entweder ein riesiges gemeinsames Picknick mit Grillen in den Bergen oder am Meer. Oder man reserviert (rechtzeitig!) einen großen Tisch in einem Restaurant, das spezielle Ferragosto-Gerichte anbietet.

Besondere Rezepte für Ferragosto findet ihr hier auf der italienischen Seite GialloZafferano

Pfarrer und Jungfrau Maria mit Jesuskind
Die Statue der Jungfrau Maria wird durch die Straßen getragen © Siegbert Mattheis
Mann in Menge trägt Kind auf den Schultern
Das ganze Dorf ist bei den Feierlichkeiten auf den Beinen © Siegbert Mattheis

Warum gibt es Feuerwerk und Prozessionen?

Einige Regionen, vor allem in Süditalien feiern Mariä Himmelfahrt mit historischen Prozessionen und religiösen Zeremonien. Normalerweise wird dabei eine Statue der Heiligen aus der Kirche in einem Rundgang durch das Dorf getragen. Dazu veranstalten viele Gemeinden rund um ferragosto große Feste, geben Konzerte und runden das am Abend mit Feuerwerken ab.

Zwei Pärchen am Strand
Ferragosto spielt sich vor allem am Strand und in den Bergen ab © Fotolia

Ferragosto am Meer

Am Meer bleiben die Italiener:innen oft bis in den späten Abend am Strand. Es werden Spiele gespielt, Lagerfeuer angezündet, die Gitarre hervorgeholt und Lieder gesungen. An diesem Tag ist die Stimmung besonders ausgelassen und fröhlich. Wenn ihr euch dazugesellen wollt, werdet ihr in der Regel herzlich empfangen. Wenn ihr dann noch ein paar Brocken Italienisch beisteuern könnt, steht neuen Bekanntschaften nichts mehr im Wege 😉

Mehrere Mädchen am Meer
Ferragosto feiert man gerne gemeinsam am Strand © Siegbert Mattheis
Leute im Meer bewerfen sich mit Wasser aus Eimern
... und dabei darf man gerne auch Spaß haben ... © Depositphotos

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Sollte man zu Ferragosto nach Italien fahren?

Unbedingt! Die Stimmung im ganzen Land ist einmalig, es herrscht nahezu Ausnahmezustand. Um dieses Datum herum sind Italiens Städte komplett leergefegt, abgesehen von Tourist:innen. An den Stränden und in Ausflugszielen hingegen findet ihr fast nur Einheimische. Der 15. August ist oft auch der heißeste Tag des Jahres und gilt gleichzeitig als Wendepunkt des Sommers.

Was kann man als Tourist an Ferragosto erwarten?

Viele Sehenswürdigkeiten bleiben geöffnet, aber kleine Läden, Cafés oder Familienbetriebe könnten geschlossen sein. Strände und Ferienorte sind sehr voll – mit festlicher Stimmung.

Filmplakat zu "Das Festmahl im August"
Filmplakat zu Pranzo die Ferragosto © Pandorafilm

Pranzo di Ferragosto im Film

Der gleichnamige italienische Film von Gianni Di Gregorio zeigt mit Witz und Wärme, wie ein Mann am Ferragosto plötzlich vier ältere Damen betreuen soll – während alle anderen Urlaub machen. Eine charmante Hommage an italienische Familienstrukturen und das Ferragosto-Gefühl.

Und darin wird natürlich viel geredet und ausgiebig gekocht, z.B. die traditionelle Pasta al forno, überbackene Nudeln.

Zum Pasta al forno-Rezept

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Mehr Informationen

Warum feiert man in Italien Ferragosto?

Wie es zu ferragosto kam, ist nun wirklich eine skurrile Geschichte. Alles begann mit der Ermordung von Julius Cäsar.

44 v. Chr. Ermordung Cäsars

Julius Cäser wird ermordet. Im Anschluss kommt es zu 14 Jahren erbitterten Bürgerkriegen zwischen Anhängern Cäsars und Gegnern im Römischen Reich.

31 v. Chr. Sieg bei Actium

Octavian (der von Caesar adoptierte Großneffe) siegt in der Seeschlacht bei Actium (Griechenland) über die Flotte seines Rivalen Marcus Antonius und seiner Geliebten und Verbündeten Kleopatra von Ägypten.

30 v. Chr. Doppel-Selbstmord

Angesichts weiterer Niederlagen gegen Octavian nimmt sich Marcus Antonius am 1. August das Leben, 12 Tage darauf vergiftet sich auch Kleopatra. Damit endet die Souveränität Ägyptens und wird zur römischen Provinz. Octavian ist nun Alleinherrscher das riesigen Römischen Reiches und läutet eine Phase des Friedens ein.

29. v. Chr. Siegesfeiern

Ein Jahr später feiert Octavian diesen Sieg und seine Macht in Rom 3 Tage lang, am 13., 14. und 15. des Monats Sextilis – des späteren August. Die Feiern werden daraufhin jährlich im ganzen Römischen Reich wiederholt. Allerdings dann nur noch an einem Tag, dem 15. August.

Warum genau der 15. August?

Augustus integrierte geschickt die Tradition der altrömischen Consualia-Feierlichkeiten zu Ehren des Erntegottes Consus. Dieses Fest feierte das Ende der landwirtschaftlichen Arbeit und galt der wohlverdienten Entspannung.

Dabei wurden auch Ochsen, Maultiere und Esel von allen Lasten befreit und mit Girlanden und Blumen geschmückt durch die Straßen geführt. Auch Pferde- und Wagenrennen fanden an diesem Tag im Circus Maximus statt. So konnten die Menschen ihn feiern, ohne dabei gegen ihre bisherigen Bräuche zu verstoßen.

Eine frühe Form von „Cultural Branding“, das sich dann die Kirche Jahrhunderte später als Vorbild nahm. Warum das an dieser Stelle wichtig ist, erfahrt ihr weiter unten.

27 v. Chr. – Octavian wird zu Caesar Augustus

Der Senat von Rom verleiht Octavian den Ehrennamen Augustus „der Erhabene“. Er nimmt die Bezeichnung Imperator Caesar (gesprochen Kaesar, das wurde später zu Kaiser) Augustus an. Die alljährlichen Feiern werden fortan feriae augusti, Feiern des Augustus genannt.

8 v. Chr. – August ersetzt den Monat Sextilis

Der Senat beschließt, den Monat Sextilis in Augustus umzubenennen. Sextilis war im damaligen römischen Kalender der 6. Monat, da das Jahr mit dem März begann.

7 oder 4 v. Chr. – Jesus wird geboren

Jesus von Nazaret, später Jesus Christus, wird als uneheliches Kind von Maria von Nazaret entweder in Nazareth oder Bethlehem geboren. Irgendwann wird daraus das Jahr Null. Warum das Datum nicht ganz klar ist, ergibt sich daraus, dass Herodes, damaliger König von Jerusalem, der die Kindstötung aller Neugeborenen laut Bibel befahl, schon im Jahr 4. v. Chr. starb.

14 n. Chr. – Augustus stirbt

Am 19. August stirbt Kaiser Augustus. Der Titel Kaiser wird von allen weiteren römischen Herrschern übernommen.

30 oder 31. n. Chr. – Jesus stirbt

Jesus stirbt in Jerusalem am Kreuz. Später wird ihm der Beiname Christus verliehen, das heißt so viel wie „Jesus, der Gesalbte“, als Synonym für Messias.

50 oder 54 n. Chr. – Maria stirbt

Maria, die Mutter von Jesus, stirbt vermutlich in Ephesos an der türkischen Küste. Das war damals eine schon über 5.000 Jahre alte Hafenstadt. Dort soll sie sich nach dem Tod von Jesus niedergelassen haben und ihrer Umgebung von seinem Wirken erzählt haben. Jedenfalls entsteht dort eine der ältesten christlichen Gemeinden. Aus Ephesos stammen auch die ersten sogenannten Bischöfe. Sie waren Vorsteher der kleinen christlichen Glaubensgemeinschaften.

311 n. Chr. – Das Christentum wird als Religion akzeptiert

Nach Jahrzehnten der Christenverfolgung wird das Christentum durch Kaiser Konstantin zur erlaubten Religion in Rom.

391 n. Chr. – Das Christentum wird römische Staatsreligion

80 Jahre später steigt das Christentum zur offiziellen Staatsreligion im gesamten Römischen Reich auf. Es wurde jedoch nur 4 Jahre später in ein weströmisches und ein oströmisches Verwaltungsgebiet geteilt. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches um 476 werden die Traditionen im oströmischen, byzantinischen Reich weitergelebt bis zur Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen.

431 n. Chr. – Bestechung mit einer halben Tonne Gold

Beim Konzil von Ephesos im Jahr 431 setzt Bischof Kyrill durch, dass die Jungfrau Maria nicht nur die Mutter von Jesus sei, sondern die Mutter Gottes, also Gottesgebärerin. Mit einer halben Tonne Gold an Bestechung konnte er den Widerstand der anderen Teilnehmer brechen. So entstand der Mythos von der Mutter Gottes.

Wenige Jahre später wurde die Aufnahme Marias mit Leib und Seele in den Himmel von der Kirche als Fest im Sommer als Mariä Himmelfahrt gefeiert.

600 n. Chr. – Der 15. August wird zu Mariä Himmelfahrt

Der byzantinische Kaiser Mauricius vereinnahmt die jahrhundertealten feriae augusti und legt den 15. August als offiziellen Feiertag der Entschlafung Marias und Aufnahme in den Himmel, Mariä Himmelfahrt fest. Die Traditionen der römischen Feiern werden dabei übernommen, aber umgedeutet.

In den nachfolgenden Jahrhunderten wird dieser ausschließlich religiöse Feiertag mit Prozessionen begangen.

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1926: Benito Mussolini subventioniert Urlaubsreisen

Der 1922 an die Macht gekommene faschistische Diktator sah sich nach der der Matteotti Affäre, die seine Macht bedrohte, gezwungen, wieder die Gunst der Bevölkerung sichern. So ließ der Duce staatlich subventionierte Urlaubsreisen am 15. August, sogenannte “Treni popolari di Ferragosto”„Volkszüge“ für Arbeiter ans Meer oder in die Berge organisieren. Es gab Sonderzüge zu vergünstigten Preisen ans Meer oder in die Berge, die sich auch einkommensschwächere Teile der Bevölkerung leisten konnten.

1950: Mariä Himmelfahrt wird Dogma

Erst über 1.300 Jahre später verkündet Papst Pius XII. die Aufnahme Marias „mit Leib und Seele“ in den Himmel offiziell als Dogma. Allerdings gibt es dafür keine biblische Grundlage.

Ferragosto heute

Die Tradition, sich rund um Ferragosto Urlaub zu nehmen und in die Berge oder ans Meer zu fahren und zu feiern, ließen sich die Italiener:innen auch nach dem Sturz Mussolinis nicht nehmen. Gleichzeitig erklärt es die Umzüge und Feiern, basierend auf den Anordnungen von Augustus und Kaiser Maurikius.

Besondere Ferragosto-Traditionen in verschiedenen Regionen

Siena:

Am 16. August findet in Siena das berühmte Pferderennen *Palio di Siena* statt, das viele Besucher anzieht.

Rom:

In Rom gibt es oft spezielle Messen und Veranstaltungen im Vatikan, um Mariä Himmelfahrt zu feiern.

Süditalien:

In einigen Regionen Süditaliens gibt es traditionelle Prozessionen, bei denen Statuen der Jungfrau Maria durch die Straßen getragen werden.

Abschlussgedanken

Ohne den Sieg über Antonius und Kleopatra hätte es Augustus nie als alleinigen Herrscher gegeben. Ohne diesen Sieg hätte er weder Ägypten als Symbol seiner Macht kontrolliert, noch sich als „Retter des Friedens“ feiern lassen können. Und ohne diesen Ruhm hätte es Feriae Augusti, also das heutige ferragosto, wohl nicht in dieser Form gegeben.

Ein bisschen paradox also: Der heutige gemütliche Feiertag mit Picknick, Prozessionen und Strandtagen hat seine Wurzeln in einem der blutigsten Machtkämpfe der Antike.

Wenn ihr also rund um den 15. August in Italien sein solltet, genießt diese besondere Atmosphäre im Ausnahmezustand. Trotz der Tatsache, dass viele Läden und Institutionen geschlossen sind.

Buon ferragosto a tutti!

Siegbert Mattheis

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