Eine Badewanne aus Mosaikkeramik, riesige Mosaiken aus glasüberzogenem 24-karätigem Gold und faszinierende, einzigartige Vasenkreationen – drei ausgezeichnete Künstler:innen aus Apulien verändern die gängigen Vorstellungen von Glas- und Mosaikkunst.
Italienische Glaskunst
Die meisten von uns verbinden sie sicher zunächst mit Muranoglas. Diese Technik der kunstvollen Glasherstellung aus Venedig reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Aber bereits lange zuvor war das oströmische Reich führend im Glasdesign.
Vor allem in der frühchristlich-byzantinischen Zeit erlebten Mosaik- und Glasherstellung im byzantinischen Reich eine grandiose Blütezeit. In der Hagia Sophia sind noch einige dieser ältesten Kunstwerke aus Mosaiken erhalten. Ab dem 4. Jahrhundert verbreitete sich die Mosaikkunst von Rom und Byzanz, dem heutigen Istanbul aus auf hohem Niveau in den Süden und Osten Europas. Vor allem in Apulien, das noch bis 1071 unter byzantinischer Herrschaft lag, riss diese Tradition der Glaskunst und der kunstvoll gestalteten Mosaiken nie ab.
Glasdesign und Mosaikkunst aus Apulien
Wir konnten auf der Designmesse Artifex in Bari eine neue Generation von Designer:innen kennenlernen und möchten euch drei dieser Handwerksbetriebe und Künstler vorstellen. Sie haben alle großen internationalen Erfolg mit ihren Designprodukten auf allerhöchstem Niveau. Alle drei gehören zu den zwanzig wegen hoher Qualität und neuartigem Design ausgezeichneten Firmen auf der Messe:
1. Vetri d’Arte Maria Concetta Malorzo:
außergewöhnliche Produkte aus Glas
Maria Concetta Malorzo erinnert sich noch gut daran, wie Glas sie schon im Alter von nur 3 Jahren faszinierte. Sie schnitt die Glasperlen einer Kette ihrer Mutter ab und versuchte, sie neu zusammenzusetzen. Als spätere Dekorateurin verwendete sie dementsprechend auch immer wieder Glas als Dekoelement. Während eines Urlaubs in Frankreich entdeckte sie die Glasmalereien von Marc Chagall und beschloss sofort, eine intensive Ausbildung in diesem Bereich zu machen.
Denn die ursprüngliche Magie des Werkstoffes verführte sie: die Idee, ein festes Material für ihre eigenen Absichten zu zähmen, sich aber gleichzeitig mit Neugier der Zufälligkeit der Verschmelzung hinzugeben. Fortan ging es ihr darum, mit ihren handwerklichen Fähigkeiten Glas mit Design und Kunst zu verbinden und mit hochwertigen Veredelungen individuell zu gestalten.
Dazu wurde sie u. a. eine der nur 4 Schülerinnen von Silvano Zamburlin, einem Meister der Glaskunst, der jedoch 2017 verstarb. Er patentierte eine spezielle Technik zum Verschmelzen und Verzieren von Kristall, auch mit Edelmetallen wie Gold, Platin und Silber, die er unter dem Namen Venedego eintragen ließ.
Die Produkte ihrer kleinen Firma aus Brindisi – Vasen, Schalen, Lampen, Teller, Tabletts und Schmuck – werden in der ersten Phase der Herstellung ausschließlich von Hand gefertigt und anschließend maschinell bearbeitet. Die dabei verwendeten Techniken sind: Verschmelzung mit Grisaille und geschmolzenem Glas, Thermoformung, Blattgold und Silber mit Edelsteinen, einschließlich Tiffany, Ligaturblei und Malerei bei sehr hohen Temperaturen. Dabei ist die Palette der Farben schier endlos.
Seit einigen Jahren leitet sie auch einen Kurs über das Recycling von Glas unter Verwendung von Glasresten. In der Zusammenarbeit mit der Universität von Salento, Lecce entstand eine Möbelkollektion namens Arre tu. Im salentinischen Dialekt bedeutet es “abermals neu”. Aus den Überresten von Glas werden erneut Designobjekte. Einer ihrer Bestseller ist eine Unterlage in flacher Flaschenform aus ehemaligen Champagnerflaschen. Speziell Restaurants reißen sich darum.
Maria Concetta Malorzo gewann mit ihren Produkten mehrere Preise, ist präsent im Fernsehen und international mit mehreren Ausstellungen unterwegs. Ihre Kunstwerke sind u. a. im Nationalen Glasmuseum in Segovia in Spanien ausgestellt.
Ihre Mutter hat ihr natürlich inzwischen verziehen und unterstützt sie tatkräftig 😉
2. Brecci Glass, handgemachter Luxus in Glasmosaiken
Auch hier entstand das Familienunternehmen Brecci vor über 30 Jahren aus Leidenschaft für die herausfordernden Techniken der Glasherstellung und der Mosaikkunst.
Inzwischen hat Brecci Glass Tausende von Artikeln hergestellt, die allein oder in Kombination mit weiteren Verkleidungen wie Marmor, Keramik, Metall und Holz verwendet werden können.
Und es ist erstaunlich, wie viel intensiver der Glanz von Gold, Marmor und anderen edlen Materialien ist, wenn sie mit Glas veredelt werden. Denn, wie sie uns erklären, ist Gold an sich nackt. Und so äußeren Umwelteinflüssen unterworfen, anders als durch die Versiegelung mit Glas.
Die handwerkliche Herstellung und die künstlerische Individualisierung machen die Produkte von Brecci Glass zu wahren Kunstwerken, die absolut einzigartig sind.
Ihre kunstvollen Mosaik- und Glasarbeiten sind nun u. a. in Katar auf dem Pearl Island als riesiges Mosaik über 2.000 Quadratmeter, am Flughafen von Dubai, im neuen Präsidentenpalast in Abu Dhabi als großes Mosaik aus 24-karätigem Gold und 5.000 qm weiteren Mosaiksteinen, in Moscheen, Kirchen sowie in vielen Luxus-Privatgebäuden zu bewundern. Das Ergebnis sind nicht nur Verkleidungen, sondern echte Emotionen.
Und, wie uns Antonella Brecci nicht ohne Stolz in der Stimme versichert, gibt es nichts, was sie nicht herstellen könnten. Sie sind auch die Einzigen in ganz Italien, die mit 100 verschiedenen Goldtönen arbeiten können.
3. Orodè, Mosaikkunst aus Keramikfragmenten
Der Künstler Orodè Deoro, 1974 in Taranto geboren, lebt und arbeitet in Lecce. Er entwickelte seine besondere Technik der Keramikmosaike in “Vincent City”, seinem exzentrischen Hausmuseum in Guagnano, einer kleinen italienischen Stadt im Süden Italiens. Dort lebte er von 2000 bis 2004 und verwandelte es als Autodidakt in einen surrealen Tempel des “Mosaikwahnsinns”.
In Vincent City realisierte Orodè zwanzig mittelgroße und große Werke, die dauerhaft an den Außen- und Innenwänden angebracht sind. Im Jahr 2014 war er einer der führenden Künstler, die im Triennale Design Museum in Mailand ausgestellt wurden, wo er mehrere Jahre lang eine riesige Mosaikwand an der Fassade des Hauses von Fabio Novembre gestaltete. Sein Stil ist beeinflusst vom katalanischen Modernismus und der Mosaikgestaltung von Antoni Gaudí. Seine Arbeiten führen die Tradition des opus-sectile fort, das bereits in der Antike verwendet wurde und im Florenz des 16. Jahrhunderts während der Herrschaft der Medici einen großen Aufschwung erlebte.
Orodè gewann 2015 den “Premio Arte” für den Bereich Skulptur, 2009 den Nationalpreis Enzo Fani und den Celeste Prize Online Vote.
2017 begann er mit der limitierten Auflage der Badewanne “Light my fire” seine Zusammenarbeit mit der britischen Marke Victoria + Albert.
2018 wurde er eingeladen, am Zweiten Symposium für zeitgenössische Mosaiken an der Ägyptischen Akademie in Rom teilzunehmen. Diese kaufte sofort die Mosaikskulptur, die er während seines Aufenthalts realisiert hatte.
Orodè unterrichtet inzwischen Techniken des Mosaiks an der Akademie der Schönen Künste in Lecce.
Designerschau Artifex in Bari, Apulien
Die Designmesse Artifex wird von der Region Apulien gemeinsam mit der Unioncamere Puglia gefördert. Die Italienische Handelskammer München-Stuttgart ITALCAM hatte uns und weitere deutsche Fachbesucher in Kooperation mit der Region Apulien im Februar 2023 nach Bari eingeladen.
Siegbert Mattheis