Guédelon im Burgund, wie baut man eine Burg?

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Guédelon ist ein in der Welt einzigartiges Projekt zur Errichtung einer mittelalterlichen Burg wie im 12. und 13. Jahrhundert. Mit den damaligen Methoden und auch mit den zur Verfügung stehenden Materialien und Transportmöglichkeiten zu der Zeit, als Philipp II. König von Frankreich war.

Als wir vor vielen Jahren einen Bericht auf arte darüber gesehen hatte, hätten wir nicht geglaubt, dass sie dort tatsächlich eine komplette Burg bauen würden. Aber heute ist sie nahezu fertig!

Burg im Bau mit 3 Türmen
Das Burgprojekt Guédelon © Maud Humbert / BFC Tourisme

Wie baut man eine Burg?

Nein, nicht virtuell etwa in Minecraft,* sondern in echt 😉 ! Das hatte sich auch der Initiator und Gründer dieses Burgbauprojekts, Michel Guyot gefragt. Er hatte seit den 1970er-Jahren bei der Restaurierung von Schlössern und Burganlagen in der Region Erfahrungen gesammelt. Und mit diesem Burgbauprojekt wollte er sich einen lang gehegten Traum umsetzen. Sein Ehrgeiz war, die Burg ausschließlich mit den Methoden und den zur Verfügung stehende Materialien der damaligen Zeit zu bauen. Nach den Prinzipien der sogenannten experimentellen Archäologie. 1997 startete er das Bauprojekt, wurde allerdings von vielen zunächst belächelt.

Als aber dann doch die Ernsthaftigkeit, Wissenschaftlichkeit und der Baufortschritt erkannt wurden, förderten der französische Staat und die Europäische Union Guédelon mit 2,5 Millionen Euro. Nachdem diese Förderung ausgelaufen war, trägt sich das Projekt heute durch Spenden, Eintrittsgelder, Merchandising und Gastronomie sowie unzähligen freiwilligen Helfern.

Runder Burgturm
Die Burg in Guédelon, rechts ein Tretrad als Kran © Maud Humbert / BFC Tourisme
Spitzförmiges Dach über Gang
Einer der Gänge in Guédelon © Maud Humbert / BFC Tourisme

Einzigartiges Burgbauprojekt in der Welt

Das Projekt wird unter möglichst authentischen Bedingungen durchgeführt. Daher tragen die Handwerker:innen und freiwilligen Helfer:innen auch mittelalterliche Gewänder. Denn Guédelon ist ein lebendiges Museum, in dem ihr die Handwerker:innen bei ihrer Arbeit beobachten und ausfragen können. Und Fragen sind ausdrücklich erwünscht!

Auch die Werkstätten sind wie im 13. Jh. gebaut © Maud Humbert / BFC Tourisme
Mann in Kutte bearbeitet einen Baumstamm
Die Kleidung ist ebenfalls traditionell © Maud Humbert / BFC Tourisme
Scheune mit Werkzeugen aus Holz
Blick in die Holzbearbeitung © Maud Humbert / BFC Tourisme

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Alle Werkzeuge und Hilfsmittel wie Tretkräne, Lehrgerüste und Gewölbeschalungen werden auf der Baustelle selbst hergestellt, transportiert wird mit großrädrigen Pferdekarren. Aus dem Steinbruch am Fuß der Burg wird Sandstein gewonnen, aus dem die Steinmetze alle Formsteine für den Bau schlagen. Aus dem Wald rundherum kommen die Eichenstämme, aus denen die Zimmerleute alle Holzarbeiten der Burg anfertigen. Aus dem Boden rund um die Baustelle gewinnen die Ziegler:innen und Töpfer:innen den Ton für ihre Arbeiten, Ziegel, Platten und Töpferwaren; auch die Maler:innen gewinnen hier ihre Erdfarben für die Wandbemalungen. Und mit dem Wasser der Teiche von Guédelon betreiben die Müller:innen eine Getreidemühle, eine Replik aus dem 12. Jh.

Hier einige weitere Beispiele für die Methoden und Arbeiten auf der Baustelle:

  • Steinbearbeitung: Die Steinmetze im Projekt verwenden traditionelle Werkzeuge wie Hammer und Meißel, um Steine in verschiedene Formen und Größen zu bearbeiten. Sie nutzen auch Techniken wie das Spalten von Steinen mit Holzkeilen.
  • Mauerwerk: Das Mauerwerk wird nach mittelalterlichen Methoden erstellt. Die Steine werden mit Kalkmörtel verbunden, der aus Kalksteinbränden und Sand hergestellt wird.
  • Holzbearbeitung: Zimmerleute verwenden traditionelle Werkzeuge wie Beile, Sägen und Hobel, um Holzrahmen, Balken, Türen und Fensterrahmen herzustellen. Sie verwenden auch Zapfenverbindungen und Holznägel, anstatt moderne Befestigungsmethoden wie Schrauben oder Nägel.
  • Schmiedekunst: Eine Schmiede auf der Baustelle stellt Eisenbeschläge, Werkzeuge, Nägel und andere Metallteile her. Dabei werden traditionelle Schmiedetechniken wie Schmieden, Schweißen und Schleifen angewendet.
  • Keramikherstellung: Es gibt eine Töpferei, in der Keramikgegenstände wie Dachziegel, Fliesen und Geschirr nach mittelalterlichen Methoden hergestellt werden. Die Tonwaren werden in einem Holzofen gebrannt.
  • Seilherstellung: Seile werden aus natürlichen Fasern wie Hanf oder Flachs auf traditionellen Spinnrädern und Webstühlen hergestellt.
Steinmetz bearbeitet einen Block
Steinmetz bei der Arbeit © Innoveo / BFC Tourisme

Touristische Attraktion Guédelon

Das Burgprojekt hat sich zu einer touristischen Attraktion entwickelt und zieht jährlich Tausende von Besuchern an. 2015 war es nach der Basilika Sainte-Marie-Madeleine in Vézelay die meistbesuchte Sehenswürdigkeit im Département Yonne. Inzwischen besuchen jedes Jahr über 300.000 neugierige Besucher:innen die Burg, darunter viele Kinder.

Wann soll die Burg fertig sein?

Ursprünglich waren etwa 25 Jahre für den Bau der Burg veranschlagt, die Fertigstellung war für 2023 geplant. Sie ist nun aber doch auf 2030 verschoben worden.

Tipps GetYourGuide*

Wo liegt Guédelon?

Guédelon liegt etwa eine knappe Autostunde südwestlich von Auxerre im Burgund im Département Yonne.

Guédelon auf Google Maps ansehen

Öffnungszeiten und Preise 2023:

Die Burgbaustelle ist immer nur von April bis Anfang November für Besucher:innen geöffnet

Eintritt:
15 Euro für Erwachsene
12 Euro für Kinder und Jugendliche von 5 bis 17 Jahre
Eintritt frei für Kinder unter 5 Jahre

Essen und Trinken auf der Burgbaustelle:

In Abhängigkeit von der Saisonöffnung gibt es einen oder zwei Verpflegungspunkte auf der Baustelle. Ihr habt gleichfalls die Möglichkeit, gute Produkte vor Ort zu kaufen, um euch euer Picknick vor der Burg selbst zusammenzustellen.

Weitere Hinweise und Tipps:

  • Plant für euren Besuch 4-6 Stunden ein.
  • Die Arbeiter:innen haben von 13-14 Uhr Mittagspause, die Baustelle bleibt aber geöffnet.
  • Das Gelände ist für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.
  • Hunde sind willkommen.
  • Ladestationen für Elektrofahrzeuge stehen an der Einfahrt zum Parkplatz.
  • Letzter Einlass ist eine Stunde vor Schließung der Baustelle.

Mehr Infos auf der Website von Guédelon

Historisches Spektakel nicht weit von Guédelon entfernt

Nur 10 Min. von Guédelon entfernt, liegt das Château de Saint-Fargeau. Im diesem Backsteinschloss aus dem 15. Jh. finden jeden Donnerstag vom 13. Juli bis 24. August 2023 Nachtbesichtigungen, inklusive des Dachstuhls statt.

Und jeden Freitag und Samstag vom 14. Juli bis 19. August 2023 ein historisches Spektakel mit 600 Akteuren und 50 Reitern, die 1.000 Jahre Geschichte zum Leben erwecken. Die Ferme du Château beherbergt viele freilaufende Tiere und bietet Übernachtungen in FEWOs, Gästezimmern, Hütten und Planwagen an, B&B (an Wochenenden, Feiertage, Schulferien).

Viel Spaß!

Siegbert Mattheis

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