Egnazia: Die Bewohner der Küstenstädte wie Monopoli, Torre Cane oder Polignano a mare sollen zu den feierfreudigsten Apuliens gehören. Schon der Dichter Horaz schrieb, als er 38 v. Chr. von Rom nach Brindisi unterwegs war: “… kamen wir nach Gnatia, das die Nymphen im Zorn erbaut hatten und dort gab es Spaß und Gelächter…” (Satire I, 5).
Drei Grazien in Egnazia
Dass die Bewohner der antiken Hafenstadt Gnatia der Lust, Freude und Schönheit durchaus nicht abgeneigt waren, mag ein Fußbodenmosaik der “Drei Grazien” Freude, Charme und Schönheit aus dem 3. Jhdt. n. Chr. in Egnazia (dem heutigen Namen der Ausgrabungsstätte) belegen. Die Darstellung der drei Grazien aus der römischen, von den Griechen übernommenen Mythologie, war ein häufiges Motiv bei Künstlern, konnten sie ja so drei nackte, sich umarmende Frauen darstellen, ohne dass dem Künstler unlautere Motive nachzuweisen waren.
Meist wurden sie jedoch so dargestellt, dass die mittlere Grazie mit dem Rücken zum Betrachter ihre beiden Arme auf die jeweils äußere Schulter der beiden anderen Grazien legt, sodass zwangsläufig jeweils beide Brüste bedeckt sind. So z.B. in einem etwa zeitgleich entstandenen Fußbodenmosaik in einem römischen Badehaus in Korykos im Süden der Türkei.
Nicht so jedoch in Gnatia, hier legt die mittlere Grazie ihre Arme auf die inneren Schultern der beiden anderen, sodass die Brüste deutlich zu sehen sind, auch die Brustwarzen sind betont, ebenso das weibliche Geschlecht. Und auch bei der mittleren, mit dem Rücken zum Betrachter stehenden Grazie ist eine Brust überdeutlich dargestellt.
Eine weitere Besonderheit ist der Ort dieses Fußbodenmosaiks in einem öffentlichen Versammlungsraum (Basilika), der im 5. Jhdt. im Zuge der beginnenden Christianisierung in eine Kirche umgewandelt wurde, ohne dass das Mosaik zerstört oder abgetragen wurde.
Spielen Sie doch mal Hobby-Archäologe und wischen Sie den Sand vom Fußbodenmosaik der “Drei Grazien”:
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Sehenswertes Museum in Egnazia
Aber nicht allein die drei Grazien lohnen einen Besuch der Ausgrabungsstätte, sondern auch die vielen gut erhaltenen Fundamente einiger Werkstätten, z.B. einer Töpferei oder einer Wäscherei. Gut zu erkennen sind auch die Stadtmauer, die griechische Agora, das römische Forum oder die beeindruckenden Thermen.
Die Via Traiana, die im 1. Jhdt. n. Chr. als eine Abkürzung der Via Appia nach Brindisi gebaut wurde, führt mitten durch den Ort. Die originalen Pflastersteine zeugen mit den über die Jahrhunderte eingegrabenen Spuren der Wagenräder von einem regen Verkehr.
Über das nahegelegene Museum erhalten Sie für ein paar Euro Zutritt zur Ausgrabungsstätte, die noch nicht überlaufen ist. Das Museum zeigt viele der Fundstücke der Grabungen, die Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen wurden und noch lange nicht abgeschlossen sind. Die Ausstellung ist gut gegliedert in die verschiedenen Epochen Gnatias.
Der Ort wurde bereits in der Bronzezeit vor 2.600 Jahren von Peuketiern und Messapiern besiedelt und im 4. /3. Jhdt. v. Chr. von den Griechen städtisch ausgebaut. Seine Blütezeit erlebte Gnatia schließlich unter den Römern, die die apulische Küste, vor allem Brindisi als Fährhafen für die Überfahrten nach Griechenland nutzten.
Gnatia wurde im Jahr 545 n. Chr. vom Ostgotenkönig Totila zerstört, die Bewohnen flüchteten in ein wenige Kilometer entferntes Dorf an der Küste und gaben dem Ort den bezeichnenden Namen „einzige Stadt“, „Monopoli“. Und vielleicht wurde dort weitergefeiert.
Siegbert Mattheis