Der Osborne Stier: Wie Werbung zum Kulturerbe wurde

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Wenn ihr schon einmal in Spanien auf Landstraßen unterwegs wart, konntet ihr sie nicht übersehen: die Silhouetten der 14 Meter hohen und insgesamt etwa 4 Tonnen schweren, schwarzen Kampfstiere auf den Hügeln. Die Osborne Stiere.

Die Stiere der Bodegas Osborne

Sie sind das Wahrzeichen der 1772 gegründeten Weinkellerei Osborne mit Sitz in El Puerto de Santa Maria bei Jerez de la Frontera in Andalusien.

Eine Silhouette des ikonischen Osborne-Stier-Werbeplakats steht majestätisch auf einem grasbewachsenen Hügel vor der Kulisse eines bewölkten Himmels.
Insgesamt 90 Osborne Stiere stehen auf Spaniens Hügeln © Depositphotos
Weißes Gebäude mit „Osborne“ auf der Fassade, mit schwarzen Stierstatuen davor, unter einem klaren blauen Himmel.
Bodegas Osborne in El Puerto de Santa Maria © Depositphotos
Gestapelte Holzfässer in einem schwach beleuchteten Keller, viele mit der Aufschrift „Osborne“.
Keller in den Bodegas Osborne © Depositphotos

Wie kam es zu den Osborne Stieren?

Die Geschichte dahinter ist einigermaßen kurios und hatte mehrere Stationen:

Branding einer Werbeagentur

1956 beauftragte Osborne die Werbeagentur AZOR, ein repräsentatives Markensymbol für den Veterano Brandy auf Reklametafeln zu entwickeln. Der Künstler Manolo Prieto entwarf die Zeichnung eines Kampfstieres als Silhouette. Diese Originalzeichnung befindet sich bis heute im Besitz der Firma Osborne.

Plakatwände mit dem Stier

Im November 1957 wurde damit begonnen, diese besonderen Plakatwände an den Straßen Spaniens aufzustellen. Der erste Osborne-Stier stand in Cabanillas de la Sierra, bei Kilometer 52 auf der Straße Madrid-Burgos, der zweite in Cerres de Abajo und der dritte in Torrelodones bei Madrid.

Osborne-Stiere aus Holz

Die Stiere der ersten Generation waren damals aus Holz, ungefähr 4 Meter hoch und hatten weiße Hörner. Der Schriftzug „Veterano-Osborne“, und ein Glas Brandy waren ebenfalls mit abgebildet. Ende 1957 standen bereits 16 Stiere an Spaniens Landstraßen. Unter anderem in verschiedene Versionen, beispielsweise auch mit Augen aus gefärbtem Glas. Anfangs wurde die Grundbesitzer oft auch in Naturalien bezahlt, mit Kisten voller Wein und Veterano-Brandy.

Osborne-Stiere aus Metall

1961 wurde der erste Osborne Stier aus Metall und in einer Höhe von bereits sieben Metern gefertigt. Im April 1962 wurde ein Gesetz verabschiedet, das für Reklametafeln einen Mindestabstand von 50 Metern zu Landstraßen und 125 Metern zu Autobahnkreuzen vorschrieb. Infolge dessen entschied sich Osborne für den markanten Standort auf Hügeln – und ließ die Silhouetten auf die jetzige Größe von 14 Metern wachsen.

Dabei entstand auch der Schriftzug „Osborne – Sherry & Brandy“ und wurde von nun an auf die Stiere aufgebracht.

Traktor in Weizenfeld vor riesiger Stiertafel
Größe im Vergleich zu einem Traktor © Depositphotos

Verbot von Werbung

Im Juli 1988 wollte die spanische Regierung jegliche Werbung an Landstraßen verbieten. Alle bisherigen Werbetafeln sollten innerhalb eines Jahres verschwinden.

Schwarze Silhouette des Osborne Stiers auf einem abgeernteten Feld vor blauem Himmel
14 Meter hoher Osborne Stier aus 65 Metallplatten © Depositphotos

“Stierkampf” mit der Regierung

Osborne entfernte daraufhin zwar den Werbeschriftzug, ließ die markanten Stiertafeln selbst jedoch stehen. 1994 sollte das Unternehmen dafür hohe Strafen zahlen. Aber das Medienecho darauf war spektakulär: In nahezu allen Fernsehkanälen, im Radio sowie in den Zeitungen innerhalb und außerhalb Spaniens, wurde heftig darüber diskutiert. Prominente und Intellektuelle setzten sich für eine „Begnadigung“ des Stieres ein. Die Bürgermeister:innen einiger Dörfer boten sogar gemeindeeigenes Land an, um den Stier dort aufzustellen. Die autonome Gemeinde Navarra weigerte sich, das Gesetz für ihre Region anzuerkennen und bestand darauf, ihre Stiere zu behalten.

Spanisches Kulturerbe

Im Dezember 1997 wurde das Problem durch das Oberste Gericht Spaniens gelöst. Es erklärte, der Stier sei zu einem typischen Teil der spanischen Landschaft geworden. Und erhob ihn zum Bestandteil des spanischen Kulturerbes.

Der Stier im Kultfilm

Der berühmteste Stier steht in der kargen Landschaft von Los Monegros, etwa eine Stunde westlich von Saragossa entfernt an der N2 in Peñalba. Unter der riesigen Stiertafel spielt eine Szene aus dem Kultfilm “Jamón, Jamón” mit Penélope Cruz und Javier Bardem. Dem Stier wird dabei vom Nebenbuhler Bardims im Film, Jordi Mollà, aus Verzweiflung und Wut der Hoden abgerissen.

Ein Paar hält die Hände unter den Beinen einer großen schwarzen Stiersilhouette in einer ländlichen Landschaft.
Szene aus dem Film "Jamón, Jamón" © Lolafilms

Der Regisseur des Films, Bigas Luna, hatte sich zuvor als einer der vielen Intellektuellen für den Erhalt der Stiere eingesetzt.

Er erhielt für diese “krude Mischung aus Porno, Farce und Melodram” (tip Berlin) den silbernen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig 1992. Für die damals erst 18-jährige Penélope Cruz und Javier Bardem war es der Start ihrer Weltkarrieren. 2010 heirateten die beiden.

Den Film Jamón, Jamón gibt es bei amazon als remastered DVD. *

Der Stier als Instagram-Star

Inzwischen hat auch der Stier Kultstatus (die Hoden wurden nach dem Filmaufnahmen wieder angebracht 😉 und ist ein beliebtes Insta-Motiv.

Den Standort bei Google Maps ansehen.

Wo werden die Stiere hergestellt?

Nach vie vor werden sie alle in einer Familien-Schlosserei hergestellt, nicht weit entfernt von der Osborne-Bodega in El Puerto de Santa Maria. Die Inhaber, Felix und Pedro Prieto sind die Neffen des damaligen Designers Manolo Prieto. Die 62 Platten des Stierpuzzles bestehen aus zwei Millimeter dickem, galvanisierten Stahlblech, die auf Stahlprofile montiert werden.

Wo stehen die Osborne Stiere?

Heute stehen in Spanien etwa 90 Stiersilhouetten über das ganze Land verteilt. Selbst in Mexiko gibt es einige Toros de Osborne. Hier auf der Karte von Google Maps haben wir alle eingezeichnet, die wir finden konnten:

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Mehr Informationen

In Cádiz, Alicante, Sevilla und Asturien findet ihr die meisten Osborne-Stiere. In den Regionen Ávila, Kantabrien, Girona, Gipuzkoa, Huelva, Murcia, Palencia, Tarragona und Teruel gibt es allerdings keine. Eine Übersicht aller Standorte der Osborne-Stiere in Spanien findet ihr auf der Homepage von Osborne, (allerdings nicht interaktiv und nur grob).

Ihr könnt euch natürlich den Stier auch nach Hause holen, z.B. in Form von Osborne Brandy 😉

Zum Beispiel bei Vinos.de *

Siegbert Mattheis

Karte von Spanien mit den Provinzen in Rot und Hellblau und mit Zahlen der Stiere darin
Die Zahlen zeigen die jeweilige Anzahl der Stiere an © Wikipedia

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