Dijon-Senf, was ist das Besondere daran? Was ist der Unterschied zwischen einem Dijon-Senf und einem Moutarde de Bourgogne? Und wie wird Senf aus Dijon eigentlich hergestellt?
Um darauf fundierte Antworten zu finden, haben wir uns nach Beaune begeben. Denn nur dort wird der legendäre Dijon-Senf noch von einer unabhängigen Familie nach traditionellen Methoden hergestellt, in der Moutarderie Fallot, eine der ältesten Senffabriken Frankreichs. Sie liegt nicht in Dijon selbst, denn in der Stadt wird seit 2009 kein Senf mehr produziert, nur noch in Fachläden verkauft.
Was ist das Besondere am Dijon-Senf?
Schon seit dem Mittelalter wurde rund um Dijon Senf angebaut. Denn der fruchtbare Boden eignete sich hervorragend für den Anbau der Senfpflanze. Und die burgundischen Herrscher förderten den Senfanbau zudem. Denn bis dahin waren nur Zwiebeln und Meerrettich als scharfe Würzmittel bekannt. Das römische Garum, eine Würzsauce aus fermentierten Sardellen, heute in etwa Colatura di Alici, war in Vergessenheit geraten. Und Pfeffer aus Indien war extrem teuer und selten.
Samen aus Braunem und Schwarzem Senf sowie Most
Das Einzigartige am Dijon-Senf ist zum einen die Verwendung nur von braunen und schwarzen Senfkörnern, denn die enthalten am meisten Scharfstoffe. Zum anderen werden die Körner nicht entölt, somit bleiben alle Aromen voll erhalten. Die dritte Besonderheit ist die Verwendung von verjus, dem Most von unreifen Weintrauben (anstelle von üblicherweise verwendetem Essig), der dem Senf eine ganz besonderes Aroma verleiht. Als die Burgunder Senfhersteller diese Methode im 19. Jh. anwendeten, begann der Siegeszug des Dijon-Senfs mit Exporten in die ganze Welt. Zudem konnten durch die Industrialisierung immer größere Mengen hergestellt werden.
Dijon-Senf ist keine geschützte Markenbezeichnung
Leider versäumten es die Produzenten, das Rezept wie auch die Marke als regionales Produkt schützen zu lassen. Lediglich die Herstellungsmethode ist geschützt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Lebensmittel knapp waren, bauten die Burgunder Bauern verstärkt Weizen und Raps an. Kanada füllte die Lücke der Nachfrage nach Senfsamen und stieg schnell zum größten Senf-Produzenten von Senf und zum Hauptlieferanten von Senfsamen auf. Durch eine katastrophale Dürre 2021 führte das übrigens in den letzten Jahren zu einer starken Verknappung des Senfangebots weltweit.
Wie wird Senf hergestellt?
An sich scheint die Herstellung von Senf ganz einfach, das könnt ihr auch zu Hause machen: dazu mahlt ihr Senfkörner, gebt etwas Essig, Wasser und Salz hinzu – und fertig ist die Senfmischung. Aber für einen richtig gut schmeckenden, fein-aromatischen Senf bedarf es ausgewiesener Expertise und etwas Zeit. Denn Senfsamen schmecken zunächst nur bitter. Erst durch den Kontakt mit Flüssigkeit entfalten sie durch die freigesetzten ätherischen Öle ihre Schärfe. Wie das professionell gelingt, haben wir uns bei einer Führung durch die Produktionshallen der Moutarderie Fallot zeigen lassen:
Moutarderie Fallot, der letzte unabhängige Senfhersteller Frankreichs
Das Unternehmen wurde 1840 gegründet und befindet sich seit 1928 im Besitz der Familie Fallot. Es ist die letzte von ehemals Hunderten von burgundischen Senfmühlen, die unabhängig geblieben ist. Die 1747 gegründete Marke Maille gehört inzwischen zu Unilever, der in Frankreich ebenfalls sehr beliebte Amora Senf ist ein Ableger von Maille.
Gemahlen wird traditionell mit Mühlsteinen
Als einziger Hersteller mahlt die Familie Fallot die Senfkörner noch nach traditioneller Art mit Mühlsteinen. So wird große Hitze beim Mahlen vermieden und die vollen Aromen bleiben erhalten. Denn bei Temperaturen über 30 Grad flüchten die ätherischen Öle im Senf und zurück bleibt nur die bittere Note.
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Und so wird Dijon-Senf traditionellerweise hergestellt:
- Die Senfsaat wird zunächst durch Sieben und Rütteln von Gräsern und sonstigen Fremdkörpern befreit und gewaschen.
- Anschließend wird sie in einem ersten Schrotdurchgang zu grobem Senfmehl zerkleinert.
- Danach wird das Senfmehl durch Zugabe von Traubenmost und Weißwein, Kochsalz und Wasser nach einem geheim gehaltenen Familienrezept in großen gelben Bottichen eingemaischt. Je nach Sorte (und davon gibt es bei Fallot etliche) werden zusätzliche Gewürze, die in Dijon erzeugte Crème de Cassis oder Honig hinzugefügt.
- Einige Tage lang ruht diese Maische nun in den Bottichen zur Fermentation, bei der sich allmählich die scharfen Aromen und das typische Bukett herausbilden.
- Für herkömmliche Senfsorten wird die goldgelbe Paste anschließend erneut gesiebt, um die Fruchthülsen zu entfernen. Für grobkörnige Produkte wie die traditionelle französische „moutarde à l’ancienne“ entfällt dieser Arbeitsschritt.
- Zum Schluss wird diese Masse in Gläser oder in die typischen Keramiktöpfe abgefüllt.
Ihr könnt selbst auch eine Führung durch die Produktion buchen und euch alles genau zeigen lassen. Im Museum nebenan könnt ihr nachvollziehen, wie der Dijon-Senf früher produziert wurde. Und im Shop der Fabrik natürlich alle Sorten auch verkosten und kaufen. Oder
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Öffnungszeiten:
Das Geschäft ist Montags bis Samstags von 9:30 bis 18:00 Uhr geöffnet
(von November bis März Mittags von 13:00 bis 14:00 Uhr geschlossen).
An Sonntagen ist von November bis März geschlossen.
Ihr könnt euch euren Besuch auch vorab reservieren: direkt auf der Website oder telefonisch unter +33 (0)3 80 22 10 10
Was ist der Unterschied von Dijon-Senf zu Moutarde de Bourgogne, Burgunder-Senf?
Moutarde de Bourgogne ist Dijon-Senf, aber geschützt mit dem AOC-Gütesiegel der geographischen Herkunft. Marc Désarménien, der Enkel des Gründers Edmond Fallot, der heute das Unternehmen führt, entwickelte das Gütesiegel in den 1990er Jahren gemeinsam mit anderen Produzenten der Region. Alle Zutaten des Moutarde de Bourgogne dürfen ausschließlich aus der Region stammen. Also nur Senfkörner aus dem Burgund und Most aus der autochthonen Burgunder Traube Aligoté. So führt dieses Siegel nun die Tradition des echten Dijons-Senfs fort.
Woher kommt Senf?
Die Geschichte des Senfs lässt sich bis 3.000 Jahre v. u. Z. zurückverfolgen. Archäologische Ausgrabungen im Indus-Tal, der Wiege der Zivilisation, hatten nachgewiesen, dass dort Senfpflanzen angebaut wurde. Von den Römern ist ein erstes Rezept zur Senfzubereitung überliefert. Im 8. Jahrhundert wurde Senf in einer Schrift von Karl dem Großen erstmals in Mitteleuropa erwähnt. So wurde er von arabischen Pflanzungen in Spanien aus verbreitet an den europäischen Tafeln bald zu einem wichtigen Gewürz.
Senf war damals also das günstigste und unseren Breiten gebräuchlichste scharfe Würzmittel. Im Jahr 1390 lud Philipp der Kühne, Herrscher von Burgund, den König von Frankreich ein, um seine Macht und seinen Reichtum zu demonstrieren. Dafür wurden eine ganze Woche lang riesige Mengen von Speisen aufgetischt. Und dazu wurden 15.000 Pfund für Würzmittel, vorwiegend Senf ausgegeben. Bis zu 300 Liter im Rahmen eines einzigen Banketts! Senf war zu einem Prestigeprodukt aufgestiegen.
Woher stammt die Redewendung „seinen Senf dazugeben“?
Das machen wir jetzt auch. Ungefragt. Denn daher kommt die Redewendung und die augenrollend genervte Aussage „Muss denn jetzt jeder seinen Senf dazugeben?“. Wie die Wirte im 17. Jh., die meinten, zu jedem Gericht Senf hinzugeben zu müssen, da er als wertvoll angesehen wurde. So sollten die Gäste es mehr wertschätzen und natürlich teurer dafür bezahlen. Aber Senf passt nun eben doch nicht zu jedem Essen. Und daraus, dass die Wirte den Mostrich unbestellt, also ungefragt zu jedem Gericht hinzufügten, entstand unsere Redewendung, ungefragt seinen Senf hinzuzugeben.
Siegbert Mattheis