Die Pizza Margherita gehört zu den bekanntesten italienischen Gerichten weltweit. Doch wie entstand sie wirklich? Kann sich die berühmte Legende von Königin Margherita und dem Pizzabäcker Raffaele Esposito so zugetragen haben? Wir haben intensiv recherchiert und die neuesten Forschungen und Fakten zusammengefasst:

Die Legende von Königin Margherita und Raffaele Esposito
Dieser schönen Legende nach reiste Königin Margherita von Savoyen, Gemahlin von König Umberto I., 1889 zum Palast von Capodimonte nach Neapel. Sie hatte genug von der französischen Küche, die am europäischen Königshof üblich war, und wollte das Essen der einfachen Leute probieren: eine Pizza.
So soll die klassische Pizza Margherita entstanden sein
Ihr Personal rief den damals besten besten Pizzabäcker Neapels, Raffaele Esposito, der gemeinsam mit seiner Frau der Königin drei verschiedene Pizzen servierte:
- Mast’nicola mit Schmalz, Basilikum und Hartkäse
- Marinara mit Tomaten, Knoblauch und Oregano
- Pizza mit Tomaten und Mozzarella
Als Esposito die letzte Pizza servieren wollte, bemerkte seine Frau Maria Giovanna Brandi, dass das Rot der Tomate und das Weiß des Mozzarella perfekt durch das Grün einiger Basilikumblätter ergänzt werden könnten – die Farben der italienischen Flagge! Die Königin liebte alle drei Pizzen, aber diese letzte am meisten, weshalb Esposito sie anschließend “Pizza Margherita” taufte.
Der mysteriöse Dankesbrief vom 11. Juni 1889
Die Pizzeria Brandi besitzt ein Dankesschreiben von Königin Margheritas Hofpersonal, datiert auf den 11. Juni 1889. Es ist das einzige existierende Dokument über die Begegnung. Allerdings berichtete damals keine Zeitung darüber.
Der Inhalt des Dankesbriefs
Der Brief ist vom königlichen Haushalt verfasst und lautet übersetzt:
„Vom Büro des Hofes
Sehr geehrter Herr Raffaele Esposito Brandi. Ich bestätige Ihnen, dass die drei von Ihnen für Ihre Majestät die Königin zubereiteten Pizzasorten als ausgezeichnet befunden wurden.
Euer ergebener Diener,
Galli Camillo
Leiter der Tafeldienste des Königlichen Haushalts”
Die Enthüllung: Beweise für eine Fälschung
Der an der Harvard University 2018 promovierte Food-Historiker Zachary Nowak untersuchte diesen Brief genau und entdeckte mehrere gravierende Unstimmigkeiten, die darauf hindeuten, dass das Dokument gefälscht ist.
Vier entscheidende Beweise gegen die Echtheit
1. Falsches königliches Siegel
Das königliche Siegel befindet sich an der falschen Stelle auf dem Brief. Bei offiziellen Dokumenten erscheint es oben links, hier ist es unten in der Mitte platziert.
2. Gefälschte Unterschrift
Die Unterschrift von Galli Camillo, dem angeblichen “Leiter der Tafeldienste”, stimmt nicht mit anderen Unterschriften überein, die in italienischen Archiven hinterlegt sind.
3. Falscher Name des Pizzabäckers
Der Brief nennt den Empfänger “Raffaele Esposito Brandi”. Das hätte bedeutet, dass er den Namen seiner Frau angenommen hätte, was im 19. Jahrhundert völlig unüblich gewesen ist. Das ist der stärkste Hinweis auf eine spätere Fälschung.
4. Fehlende Details
Der Brief erwähnt keine Details über die Pizzen und gibt nicht an, welche Pizza die Königin bevorzugte.
Die historischen Fakten: Was wir wirklich wissen
Die Recherchen von Zachary Nowak über Raffaele Esposito brachten interessante Details ans Licht:
- 1871: Ein Weinhändler namens Raffaele Esposito erhielt die Erlaubnis, das königliche Siegel in seinem Geschäft zu verwenden.
- 1877: Esposito heiratete Maria Giovanna Brandi, deren Familie Pizzabäcker waren.
- 1883: Esposito kaufte eine seit 1780 bestehende Pizzeria namens “Pietro … e basta così” (Peters Pizzeria … und damit genug!) und benannte sie in “Pizzeria della Regina d’Italia” (Pizzeria der Königin von Italien) um.
Die überraschende Entdeckung aus dem Jahr 1880
Ein Artikel aus der Geneva Gazette (nachgedruckt in der Washington Post am 25. Juli 1880) berichtet von Königin Margheritas Besuch in Neapel, neun Jahre vor dem berühmten Dankesbrief. Sie erlangte damals Popularität, weil sie Pizza aß, beschrieben als “eine Art flach geschlagener Kuchen in runder Form, gewürzt mit verschiedenen Zutaten.”
Die Details aus dem Artikel von 1880:
- Die Königin ließ einen berühmten Pizzabäcker kommen.
- Er bot ihr am Palast Capodimonte eine Liste mit 35 verschiedenen Pizzen an
- Sie wählte acht davon aus „und der kleine Prinz und seine Mutter fanden sie ausgezeichnet“. (mit dem kleinen Prinzen war der damals 10-jährige, in Neapel geborene Viktor Emanuel gemeint. Er war später von 1900 bis 1946 König von Italien).
Die Übersetzung auf deutsch:
“Königin Margaret in Neapel
Aus der Genfer Gazette, The Washington Post, 25. Juli 1880
Königin Margaret befindet sich in Neapel im Palast von Capodimonte, und es gibt eine Geschichte über sie, die das Geheimnis ihrer Beliebtheit beim Volk erklärt. Eine beliebte Speise der Neapolitaner ist die Pizza, eine Art flacher, runder Kuchen, der mit verschiedenen Gewürzen gewürzt wird. Die Königin ließ einen Pizzaiolo kommen, der für seine Kunstfertigkeit bei der Zubereitung dieser Kuchen berühmt ist, da sie sagte, „sie wolle wie die armen Leute essen“. Der Mann begab sich zum Palast, wurde empfangen und nachdem er eine Liste mit fünfunddreißig verschiedenen Pizzasorten vorgelegt hatte, wurde er in die königliche Küche geschickt, um die von der Königin ausgewählte Sorte zuzubereiten. Er backte acht Stück, die ihrer Art nach ideal waren, und der kleine Prinz und seine Mutter fanden sie ausgezeichnet, aber so zu essen, wie die armen Leute in Neapel essen – das ist oft nicht alles und mehr, als man erwarten könnte. Aber sie hat das Armenviertel von Neapel besucht und hat Mitgefühl mit dem Elend, das sie dort sieht.”
Diese Geschichte klingt in etwa wie die Legende. Doch sie erschien 9 Jahre bevor Esposito den berühmten Dankesbrief erhielt. Und 3 Jahre, bevor er seine Pizzeria kaufte.
Die Brandi-Brüder und die Marketing-Strategie der 1930er Jahre
Maria Giovanna Brandis Neffen kauften 1932 die Pizzeria und benannten sie in “Pizzeria Brandi” um. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren der Weltwirtschaftskrise suchten sie nach Wegen, das Geschäft wiederzubeleben.
Der geniale Marketing-Trick
Der Pizza-Historiker Professor Antonio Mattozzi (selbst Spross einer berühmten neapolitanischen Pizza-Familie) vermutet, dass die Brandi-Brüder die Legende neu gestalteten, um eine Verbindung zu ihrem unternehmungslustigen Vorgänger herzustellen. Dies war glaubwürdig, da die Pizzeria bis vor kurzem “Pizzeria der Königin von Italien” hieß.
Die Theorie
Die Brandis schufen den gefälschten Dankesbrief, um ihre Familienverbindung zu legitimieren und der Pizzeria historische Bedeutung zu verleihen. Der verdächtige Nachname “Brandi” im Brief war ihr Fehler. Er verriet, dass das Dokument aus den 1930er Jahren stammte, nicht aus den 1880er Jahren.
Wann wurde die Pizza Margherita wirklich erfunden?
Die Pizza Margherita wurde definitiv nicht 1889 erfunden. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Tomaten, Mozzarella und Basilikum bereits vor 1889 zusammen auf Pizza verwendet wurden.
Schon im Jahr 1858 dokumentierte der Philologe Emmanuele Rocco in dem von Francesco de Bourcard koordinierten Werk Usi e costumi di Napoli e contorni descritti et dipinti die Existenz einer Pizza aus Tomaten, Mozzarella und Basilikum.
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Mögliche Szenarien
- Vielleicht war Raffaele Esposito schon vor 1880 als Koch und Pizzaiolo im „Pietro … e basta così“ angestellt und hatte sich einen Namen gemacht.
- Vielleicht war er der Pizzabäcker, der 1880 an den Hof gerufen wurde.
- Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine der 8 gebackenen Pizzen aus dem Menü von 1880 die spätere Pizza Margherita gewesen ist.
- Vielleicht fand die Königin diese wirklich am besten (die Kombination aus Tomaten, Mozzarella und Basilikum schmeckt ja wirklich köstlich 😉
- Vielleicht hatten die Brandibrüder auch das genaue Jahr aus den Erzählungen nicht mehr rekonstruieren können. Es existiert ein Foto von Raffaele Esposito mit seiner Frau aus dem Jahr 1889 (bei brigdemanimages zu finden, dort ist das Datum allerdings fälschlicherweise mit 1989 angegeben).
- Sehr wahrscheinlich haben die Brüder Brandi der Pizza mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum den Namen verliehen. Denn “Pizza Margherita” taucht in Quellen erst ab den 1930er Jahren auf.
Häufig gestellte Fragen zur Pizza Margherita
Wer hat die Pizza Margherita wirklich erfunden?
Die Erfindung kann nicht eindeutig zugeordnet werden. Raffaele Esposito wird traditionell genannt, aber die Geschichte ist wahrscheinlich eine Marketing-Erfindung der 1930er Jahre.
Warum heißt die Pizza Margherita so?
Vermutlich wurde sie nach Königin Margherita von Savoyen benannt, aber der genaue Ursprung des Namens ist unklar und erscheint erst Jahrzehnte nach 1889 in historischen Quellen.
Hat Königin Margherita wirklich Pizza gegessen?
Ja! Ein Zeitungsartikel von 1880 bestätigt, dass sie Pizza in Neapel aß und ihr 8 verschiedene Pizzen gebacken wurden. Ob Raffaele Esposito dabei war, ist zweifelhaft.
Was macht eine echte Pizza Margherita aus?
Tomaten (bzw. Tomatensauce), Mozzarella und frisches Basilikum in den Farben der italienischen Flagge: Rot, Weiß und Grün.
Wo kann ich die originale Pizza Margherita essen?
Die Pizzeria Brandi in Neapel behauptet, die Geburtsstätte zu sein. Authentische neapolitanische Pizza Margherita bekommt ihr aber in vielen traditionellen Pizzerien Neapels.
Pizza Margherita als Standard
Auch wenn die Geschichte von 1889 wahrscheinlich nicht stimmt, hat die Pizza Margherita den Standard gesetzt, nach dem wir heute alle Pizzen definieren. Sie ist das Herzstück der neapolitanischen Pizza-Tradition geworden.
Die Wahrheit wird vielleicht niemals ans Licht kommen, zumal der letzte Nachfahre der Familie Brandi, Pasquale Brandi 2005 verstorben ist.
Unabhängig von der wahren Entstehungsgeschichte bleibt diese Pizza ein weltweites Symbol der italienischen Küche und der neapolitanischen Pizza-Kunst!
Und war ein gelungener Marketing-Schachzug!
Wir wollen hier auf gar keinen Fall die Qualität der Pizza Margherita der Pizzeria Brandi infrage stellen! Denn sie schmeckt tatsächlich hervorragend, wie wir bei unserem Besuch dort feststellen konnten!
Siegbert Mattheis
Siegbert Mattheis, Jahrgang 1959, ist seit seinem ersten Italienaufenthalt 1977 vom mediterranen Lebensgefühl begeistert. Seitdem bereist er mehrmals im Jahr die Länder rund um das Mittelmeer. Nach seinen Studien Kommunikationsdesign, Philosophie, Wissenschaftstheorie und Kunstgeschichte gründete er eine Werbeagentur, die er seit 1998 gemeinsam mit seiner Frau Claudia Mattheis führt. 2002 bauten beide gemeinsam Ambiente–Mediterran.de auf, das inzwischen größte Lifestyle-Magazin rund um die mediterrane Kultur. Darüber hinaus ist er Fachjournalist und Fotograf, begeisterter Hobbykoch und Liebhaber stilvoller Einrichtung. Gründliche Recherche und Liebe zum Detail gehören zu seinen Leidenschaften. Mit seiner Frau lebt er in Berlin Prenzlauer Berg.
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