Jedes Jahr in der zweiten Oktoberwoche feiert Aigues-Mortes ein ganz besonderes, spektakuläres Fest: La Fête Votive. Mit (unblutigen) Stierläufen, viel Musik, Rummelplatz wie beim Karneval, Tanzen und Feiern bis spät in die Nacht.
Unglaublich herzliche Atmosphäre
Ganze 11 Tage lang stehen Aigues-Mortes und seine Umgebung Kopf. Es herrscht eine wunderbar herzliche, fröhliche und lebendige Atmosphäre.
Was sind Fêtes Votives?
Fête Votive (deutsch: Patronats- oder Weihefest, vergleichbar mit Kirchweih) sind typisch für ganz Südfrankreich. Sie werden traditionell in der Provence, Drôme provençale, Ardèche, Languedoc, Haute-Garonne und vielen anderen Regionen gefeiert.
Fête Votive in Aigues-Mortes
In Aigues-Mortes ist es ein ganz besonderes Fest, denn es bildet den Abschluss aller Fête Votive-Feiern in Südfrankreich. Am Ende der Weinlese und der Salzernte versammelt man sich seit über 250 Jahren, um die Fé di biou (die Leidenschaft des Stiers) zu erleben und die Traditionen der Camargue zu feiern. Für die Einwohner von Aigues-Mortes ist es das am sehnsüchtigsten erwartete Ereignis des Jahres!
Stierkampftradition
In Aigues-Mortes wie auch in der gesamten Camargue sind die Votivfeste mit Stierkampftraditionen verbunden, allerdings völlig unblutig. Kein Stier kommt dabei ums Leben. Hier werden die Bullen lediglich durch die Straßen geleitet und in einer Arena auf Zuschauer losgelassen, die ihren Mut beweisen wollen. Gegen Abend werden die Stiere von den Gardians der Camargue (die Bezeichnung gilt gleichermaßen für Männer und Frauen) wieder einzeln zurück auf die Weiden getrieben. Dabei geht es mitten durch die Menge, die schleunigst versucht, den Hörnern auszuweichen.
Was heißt Aigues-Mortes?
Der Name bedeutet “Tote Wasser”, denn der Ort lag früher an den Ufern einer großen Lagune. Er war als Hafen konzipiert und war mit Kanälen mit dem Mittelmeer verbunden. Ludwig IX. brach von dort zu zwei Kreuzzügen auf. Im Laufe der Jahrhunderte verlandete die Flachwasserzone jedoch. Aber so konnte dadurch Meersalz gewonnen werden. Davon zeugen die riesigen pyramidenartig aufgeschichteten Salzberge im Süden von Aigues-Mortes.
Sehenswertes Aigues-Mortes
Aigues-Mortes bietet den perfekten Rahmen für dieses Fest. Denn die Altstadt ist vollständig von einer rechteckigen, mittelalterlichen und begehbaren Stadtmauer mit Wehrtürmen umgeben.
Programm der Fête Votive in Aigues-Mortes
Das Programm variiert von Tag zu Tag ein wenig, ist jedoch im Prinzip jedes Mal ähnlich:
- 9 Uhr: Picknick auf den Wiesen bei den Stieren
- 11 Uhr: Abrivados: Jetzt werden die vorher ausgesuchten Stiere in rasantem Tempo durch die Gassen auf den plan, die eingezäunte Arena vor den Toren getrieben
- 12 Uhr: Nun sind alle Stiere in der Arena versammelt
Ab 12.30 Uhr: Festbereich auf der Place Saint-Louis mit Musik, in der Arena manchmal Schaumkanonen mit begeisterter Jugend
14.30 Uhr: Boules und Jahrmarkt
15.30 Uhr: Mutproben der Jugend mit den Stieren / Schaumkanone
17.30 Uhr: Bandido: jetzt werden die Bullen einzeln wieder durch die Gassen mit je zwei Guardians oder Gardienennes zurück auf die Wiesen begleitet
Ab 20.30 Uhr: Festbereich auf der Place Saint-Louis mit Musik (bandas); in vielen Bodegas wird bis in die Nacht gefeiert
Das jeweils aktuelle Programm könnt ihr im Tourismusbüro von Aigues-Mortes erfahren.
Insider-Tipps für die Festtage in Aigues-Mortes
Die Stadt hat einige Tipps zusammengestellt, damit man die Festtage unbeschwert genießen kann:
1. Unterkunft frühzeitig planen:
Das Fest von Aigues-Mortes bildet den Abschluss der Votivfestsaison in der Region. Es zieht daher viele Besucher:innen an. Hotels, Fremdenzimmer und Ferienwohnungen sind schnell ausgebucht.
Wer das Fest bis in die frühen Morgenstunden genießen möchte, sollte eine Unterkunft im Stadtzentrum wählen. So kommt ihr nach dem letzten Bodega-Besuch schnell ins Bett.
Wer es etwas ruhiger mag, ist mit einer Unterkunft außerhalb der Stadtmauern besser beraten, denn dort ist die Musik weiter weg …
2. Parken während der Fête Votive
Während der Fête Votive ist das Parken in der Stadt kostenlos. Einige sind jedoch für die Fête Votive reserviert. Am einfachsten findet man einen Parkplatz auf den Parkplätzen P4, P5, P9 und an der südlichen Festungsmauer. Ausnahmsweise darf während des Votivfestes auf der Südseite rund um den plan geparkt werden.
3. Wo kann man die Stierrennen sehen?
Die Rennen finden um 11 Uhr und um 17.30 Uhr im Boulevard Gambetta statt. Die Arena – le plan – befindet sich vor der südlichen Stadtmauer und ist von Tribünen umgeben. Man kann also das Rennen hinter den Absperrungen an der Straße beobachten oder den Einzug der Stiere mit den Reiter:innen ganz sicher von der Tribüne aus verfolgen.
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4. Früh den besten Platz sichern
Es empfiehlt sich, etwa eine halbe Stunde vorher da zu sein, um sich die besten Plätze zu sichern. Und ein Sitzkissen für die Tribüne ist auch nicht verkehrt.
Die Holztribünen – les théâtres – sind in Privatbesitz. Sie gehören den Familien von Aigues-Mortes, die sie das ganze Jahr über für die Festwoche instand halten. Die meisten kennen jemanden in der Familie, der sie auf die Tribüne lässt. Man kann aber auch einfach um Erlaubnis fragen. Die Stahltribünen sind öffentlich und bieten einen guten Überblick über das Rennen.
5. Jahrmarkt am Fuße der Stadtmauern
Der Jahrmarkt, den die Aigues-Mortais „champ de foire“ nennen, gibt den Ton für alle Votivfeste in Südfrankreich an. Am Fuße des Tour de Constance und entlang der nördlichen Stadtmauer gelegen, bietet er eine große Auswahl an Fahrgeschäften: Entenangeln, Schießbuden oder Sensationskarussells. Wem das nicht zusagt, der sollte den Chichi-Stand besuchen! Dieser Krapfen aus Zucker und Orangenblüten ist laut Office de Tourisme der inoffizielle Snack, den man braucht, um das Fest in vollen Zügen zu genießen 😉 .
6. Frühstück auf der Wiese mit Freunden schon am Morgen
Jeder Festtag beginnt mit einem Frühstück auf den Wiesen von Le Mas d’Avon. Ab 9 Uhr trifft man sich mit der Familie oder mit Freunden zu einem ausgiebigen Picknick. Das ist allerdings etwas anders als ein normales Frühstück. Hier werden Würstchen gegrillt, Austern geschlürft, ein Stück Fougasse d’Aigues-Mortes genascht oder auch schon ein Glas Wein aus Les Sables getrunken.
Währenddessen kann man die Manadiers und die berittenen Gardians und Gardiennes (denn auch viele Frauen sind dabei) beobachten, die die Stiere für die Rennen am Nachmittag aussuchen. Wenn die Peña zu spielen beginnt, bereitet man sich auf den Abrivado vor und verstaut die Reste des Frühstücks in den Taschen. Denn dann beginnen die Reiter:innen die Stiere in hohem Tempo in Richtung der Stadtmauern zu treiben. Unterwegs versuchen die Attrapaïres, meist Jugendliche, die Stiere zum Ausbrechen zu bewegen. Ein Spektakel, das man gesehen haben muss – aber nicht nachmachen sollte!
7. In einer Bodega die Feststimmung aufsaugen
Nach den Rennen gehen alle in die Bodegas. Sie sind the place to be, um mit den Einheimischen zu feiern! Hier trifft man sich nach dem Rennen, um zu plaudern, sich zu erfrischen, Musik zu hören und zu tanzen. Ihr könnt sie gar nicht verfehlen, man hört die Musik schon von Weitem …
8. Das Votivfest sicher genießen
Auf der Strecke der Abrivados und Bandidos bleibt man sicherheitshalber immer hinter den Absperrungen. Am besten stellt man sich so hin, dass man das Spektakel überblicken kann und sofort außer Reichweite der Stiere ist, falls diese ausbrechen sollten. Vor allem mit Kindern, älteren oder behinderten Menschen sollte man sich niemals unnötig der Gefahr durch die Stiere aussetzen. Auch wenn man beobachtet, dass sich viele innerhalb der Absperrungen bewegen. Dabei handelt es sich meist um junge Attrapaïres, die es gewohnt sind, die Stiere das ganze Jahr über zu sehen.
Trotz aller Maßnahmen gibt es kein Nullrisiko. Es gilt also, wachsam zu sein, wenn die Stiere in der Stadt und auf der Arena sind.
Voitures de fêtes
In den 60er Jahren begann die Tradition, dass sich in den umliegenden Dörfern Gruppen von Jugendlichen bildeten, die in alten, zerbeulten und mit geschweißten Dachgepäckträgern und Haltegriffen ausgestatteten Autos voll bepackt zur Fête Votive nach Aigues-Mortes fuhren. Es gab reine Männergruppen, gemischte Gruppen und auch reine Frauengruppen. Sie trugen einheitliche T-Shirts oder irrwitzige Kostüme. Leider sind diese Voitures de fêtes nach einem tragischen Unfall seit 2018 verboten.
Buch über die Voitures de fêtes
Ein kürzlich im Verlag Le Diable Vauvert erschienenes Buch lässt diese Zeit wieder aufleben. Es wurde von Numa Grenan, einem Pariser mit Wurzeln in der Camargue und DJ der Guinguette Rosa Bonheur in Paris, in Zusammenarbeit mit dem Anthropologen Frédéric Saumade und dem Illustrator Eddie Pons verfasst.
Mehr darüber erfahrt ihr hier bei Lokko.fr.
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Eine zauberhafte Woche in Aigues-Mortes
Wer sich für das Votivfest in Aigues-Mortes entscheidet, erlebt eine magische Woche! Es ist eine Gelegenheit, die Kultur der Camargue zu entdecken und gleichzeitig unvergessliche Erinnerungen zu schaffen. „A l’an que ven!“ (Bis zum nächsten Jahr)!
Siegbert Mattheis