Bussana Vecchia, von Künstlern wiederbelebte Geisterstadt

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Bussana Vecchia bei Sanremo wurde nach einem tragischen Erdbeben verlassen, in den 1960er Jahren von Künstlern illegal wiederbesiedelt und ist heute eine Attraktion mit Cafés, Restaurants, Ateliers und einem Jazzclub.


Es geschah am 23. Februar 1887, dem ersten Tag der Fastenzeit. Die Gläubigen hatten sich alle in der im Jahre 1404 fertiggestellten Kirche von S. Egidio in Bussana versammelt, einem Ort wenige Kilometer von San Remo entfernt. Die Zeiger der Kirchturmuhr zeigten auf 6.21 Uhr, als die Erde bebte. Das Dach der Kirche brach zusammen und begrub die Betenden unter sich. Ein Großteil der Bevölkerung von Bussana wurde ausgelöscht.

Bussana Vecchia, Blick über die Hügel © Siegbert Mattheis
Bussana Vecchia, Blick über die Hügel © Siegbert Mattheis

Aber nicht nur die Kirche wurde zum großen Teil zerstört, auch die Häuser waren kaum noch bewohnbar. So beschlossen die übrig gebliebenen Einwohner voller Schmerz, den Ort aufzugeben. 2 Jahre später gründeten sie ein neues Bussana einige Kilometer weiter unten an der ligurischen Küste. Die Reste des alten Bussana, von nun an Bussana Vecchia (das alte Bussana) genannt, verfielen in eine Art Dornröschenschlaf. Man sprach einige Jahre darauf nur noch vom Geisterdorf.

Provisorische Hütten und Zelte kurz nach dem verheerenden Erdbeben (Bild aus der Dorfchronik)
Provisorische Hütten und Zelte kurz nach dem verheerenden Erdbeben (Bild aus der Dorfchronik)
Die Reste der Kirche, in der die meisten Bewohner den Tod fanden © Siegbert Mattheis
Die Reste der Kirche, in der die meisten Bewohner den Tod fanden © Siegbert Mattheis

Künstler entdecken das Dorf 1959

Erst 70 Jahre später, 1959 kommt Mario Giani, ein Maler und Töpfer aus Turin mit dem Künstlernamen Clizia mit einigen anderen Künstlern in die verlassene Geisterstadt. Er sieht in dem Ort einen idealen Platz für ein Künstlerdorf. So gründet er 1961 die Comunità Internazionale degli Artisti, die Internationale Künstlergemeinde. Zu ihnen gesellen sich bald viele andere Künstler, auch aus Frankreich, England, Deutschland, Österreich und Holland. Sie räumen den Schutt zur Seite, reparieren oder bauen einige Häuser wieder notdürftig auf. Auch Wasser und Strom gibt es bald wieder. Einige beschließen, ganz zu bleiben, andere nur zeitweise. Ende der 60er Jahre hat die Gemeinschaft bereits an die 30 Künstler.

Bussana Vecchia, neu eingerichtete Wohnungen in den Ruinen © Siegbert Mattheis
Bussana Vecchia, neu eingerichtete Wohnungen in den Ruinen © Siegbert Mattheis

Italien wollte räumen

Der italienische Staat hatte die Künstlergemeinde zunächst gewähren lassen, wollte dann aber 1968 einen Räumungsbefehl durchsetzen. Die Einwohner zahlten keine Steuern, da es den Ort ja offiziell nicht gab. Die angerückte Polizei sah sich jedoch einem großen Sympathisantenkreis und internationaler Presse gegenüber, wollte eine Eskalation vermeiden und rückte wieder ab. Eine weitere Konfrontation gab es 1997, als die italienische Regierung das Dorf kurzerhand zum Eigentum des italienischen Staates erklärte.

Überreste nach dem Erdbeben© Siegbert Mattheis
Ausgegrabene Überreste nach dem Erdbeben© Siegbert Mattheis

70 Bewohner aus über 40 Nationen

Heute leben knapp 70 Bewohner aus über 40 Nationen in Bussana Vecchia. Sie lieben ihr unabhängiges Leben hier, wie uns Mario Gallo erzählt. Er bewahrt in seinem Museum über dem Jazzclub die zurückgelassenen Schätze und Artefakte des Ortes sowie einige Werke verstorbener Künstler des Ortes auf und erzählt dem Besucher gegen eine kleine Spende die interessantesten Anekdoten.

Schmuckdesigner, Museumsleiter und Jazzclubbetreiber Mario Gallo © Siegbert Mattheis
Schmuckdesigner, Museumsleiter und Jazzclubbetreiber Mario Gallo © Siegbert Mattheis
Die Wohnungen sind gleichzeitig Werkstatt und Verkaufsraum © Siegbert Mattheis
Die Wohnungen sind gleichzeitig Werkstatt und Verkaufsraum © Siegbert Mattheis

Neben den Werkstätten der Künstler, die auch als Galerien dienen, gibt es u.a. ein Café, eine Osteria, das Museum mit angeschlossenem Jazzclub, ein Bio-Restaurant, eine Ferienunterkunft und ein paar Kleiderläden. Eine vor allem bei Kinder beliebte Attraktion ist eine Modelleisenbahn, die sich durch mehrere Häuser und Etagen zieht. Wie lange das Künstlerdorf noch existieren wird, steht in den Sternen. Denn man befürchtet, dass die Regierung aufgrund leerer Staatskassen die Räumung irgendwann doch noch vollzieht, um das Areal an potente Käufer zu lukrativen Preisen verkaufen zu können.

 

Übernachten in der Umgebung von Bussana Vecchia & Sanremo

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Siegbert Mattheis

Rechts unten das Bio-Restaurant. Hier wird auch AMEX akzeptiert © Siegbert Mattheis
Rechts unten ein Bio-Restaurant. Hier wird auch AMEX akzeptiert © Siegbert Mattheis
Piazetta Golosa, eins der Cafés im Ort © Siegbert Mattheis
Piazetta Golosa, eins der schönen Cafés im Ort © Siegbert Mattheis
Der kleine Platz vor der Kirche S. Egidio © Siegbert Mattheis
Der kleine Platz vor der Kirche S. Egidio © Siegbert Mattheis

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