Elizabeth Graver entführt uns mit ihrem Roman “Kantika” in die faszinierende Welt des frühen 20. Jahrhunderts. Auf den Spuren von Rebecca Cohen erleben wir ein bewegendes Familiendrama, das durch historische und kulturelle Einblicke glänzt. Es ist die Geschichte einer starken Frau und ihrer jüdisch-sephardischen Familie.
Es beginnt in Konstantinopel
Der fesselnde Roman beginnt in einer Zeit, als Juden, Muslime und Christen im heutigen Istanbul noch ohne Groll und Hass nebeneinander und miteinander lebten. Durch die wunderbar detailreiche Sprache und einen liebevollen Blick auf die Figuren, taucht man direkt ein in die Atmosphäre eines kleinen Vorortes der osmanischen Hauptstadt.
Worum geht es in dem Buch Kantika?
Das Buch beginnt im Jahr 1907 und begleitet Rebecca durch ihre Kindheit und Jugend, geprägt von kulturellen Traditionen und familiären Herausforderungen. Durch die Augen der jungen Rebecca tauchen wir in eine Welt ein, die von jüdischen, griechischen, armenischen und türkischen Einflüssen im wohlhabenden Viertel Fener in Konstantinopel geprägt ist.
Rebeccas Lebensweg ist voller Musik, Familiengeschichten und den unausweichlichen Veränderungen ihrer Zeit. Schon früh zeigt sich ihr starker Wille und ihre Anpassungsfähigkeit, als sie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Familie und die politischen Umwälzungen in ihrer Heimat durchlebt. Ihre Freundschaft mit Rahelika (Lika) und die gemeinsamen Erlebnisse prägen ihre frühe Jugendzeit.
Während der Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind erlebt Rebecca eine Reihe von Herausforderungen, die sie an ihre Grenzen bringen. Trotz der Schwierigkeiten, die Schwangerschaft mit ständiger Übelkeit und Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen mit sich bringt, findet sie in dieser Zeit auch zu sich selbst und beginnt, ihrem ungeborenen Kind Lieder zu singen, ein Trost und eine Verbindung, die sie stärkt.
Nach der Geburt ihres Sohnes David und einer weiteren Schwangerschaft entscheidet sie sich, zu ihren Eltern zurückzukehren, um Unterstützung zu suchen und Arbeit zu finden. Ihre Rückkehr ist geprägt von dem Wunsch, für ihre Kinder eine bessere Zukunft zu sichern, trotz der Abwesenheit und der mangelnden Unterstützung ihres Mannes Luis.
Während des Zweiten Weltkriegs und der darauffolgenden Jahre baut Rebecca ein neues Leben in Amerika auf. Sie engagiert sich in der jüdischen Gemeinde und wird bekannt für ihr einzigartiges Repertoire an spanischen, hebräischen und ladinischen Liedern. Ihre Musik und ihr Engagement bieten nicht nur ihr selbst, sondern auch vielen anderen Menschen Trost und Hoffnung in schweren Zeiten.
Die wichtigsten 10 Erkenntnisse aus dem Buch von Elisabeth Graver:
- Familienzusammenhalt: Die Familie Cohen steht trotz aller Schwierigkeiten zusammen und unterstützt sich gegenseitig.
- Kulturelle Vielfalt: Konstantinopel wird als Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Religionen dargestellt.
- Stärke der Frauen: Rebecca und die Frauen ihrer Familie zeigen großen Mut und Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten.
- Tradition und Moderne: Das Spannungsverhältnis zwischen traditionellen Werten und dem Wandel der Zeit wird eindrucksvoll geschildert.
- Bildung und Selbstbestimmung: Bildung wird als Schlüssel zur Selbstbestimmung und Emanzipation dargestellt.
- Religiöse Identität: Die jüdische Identität der Familie Cohen spielt eine zentrale Rolle im täglichen Leben.
- Liebe und Verlust: Die Geschichte ist geprägt von Momenten großer Liebe und tiefem Verlust.
- Historische Ereignisse: Die politischen und sozialen Veränderungen der Zeit beeinflussen das Leben der Figuren maßgeblich.
- Musik als Lebenselixier: Musik und Gesang sind ständige Begleiter und Trostspender für Rebecca.
- Resilienz: Die Fähigkeit der Figuren, sich an widrige Umstände anzupassen und weiterzumachen, wird eindrucksvoll dargestellt.
Warum wir dieses Buch empfehlen?
Kantika von Elizabeth Graver bietet eine tiefgründige und einfühlsame Erzählung, die historische Ereignisse mit persönlichem Schicksal verbindet. Die lebendige Schilderung des Lebens in Konstantinopel, bevor sie eine jahrelange Odyssee beginnt, die sie über Barcelona und Havanna bis nach New York führt, die starken Charaktere und die eindrucksvolle Darstellung kultureller Vielfalt machen dieses Buch zu einem besonderen Leseerlebnis. Es ist eine Hommage an die Kraft der Familie und die Bedeutung von Traditionen in einer sich wandelnden Welt.
Ladino, die Sprache der sephardischen Juden
Vor allem aber bringt uns dieses Buch die Geschichte der sephardischen Juden und des Ladino näher, der jahrhundertealten Sprache der spanischen Juden. So ist auch Kantika, der Titel des Buches, ein Wort aus dem Ladino und bedeutet Lied.
Kantika
Elizabeth Graver
mare-Verlag
- Aus dem amerikanischen Englisch von Juliane Zaubitzer
- gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
- 368 Seiten
- ISBN: 978-3-86648-710-9
- Erscheinungsdatum: 20.02.24
Siegbert Mattheis