Kennen Sie das Bild von Grace Kelly in weißen Handschuhen bei der Hochzeit mit Fürst Rainier? Oder die goldbestickten Lammleder-Handschuhe für den Film von Jean Cocteau “La Belle et la Bête”. Oder die Handschuhe von Steve McQueen? Alle stammen aus dem Haus Maison Fabre, einem Familienunternehmen in Südfrankreich.
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Schon die Ägypter trugen Handschuhe
Handschuhe sind schon aus dem alten Ägypten überliefert. Damals waren sie jedoch nur den Pharaonen als Zeichen ihrer Herrschaft vorbehalten. Und über die Jahrtausende hatte sich kaum etwas daran geändert, dass Handschuhe für Könige, Adlige oder Bischöfe ein Zeichen ihrer Macht war. Bis es dann durch die industrielle Revolution Ende des 19 Jhdts. auch für das gemeine Volk notwendig wurde, Handschuhe zu tragen. Zum Beispiel als Chauffeur der neuen Automobile oder zum Bedienen großer Maschinen.
Millau, Hauptstadt der Handschuhe
Frankreich war im Mittelalter die Geburtsstätte der gewerblichen Handschuhfabrikation. Im südfranzösischen Millau im Département Aveyron in Okzitanien wurden Lederhandschuhe in Handarbeit gefertigt, die Stadt galt als „Hauptstadt des Handschuhs“. Die in der Nähe betriebenen Schafzuchten lieferten dafür das notwendige feine Leder.
Dort lernt auch Étienne Fabre im Jahre 1900 im Alter von 16 Jahren das Handwerk des Handschuhmachers. Doch es gibt zu viele, die das Gleiche machten, also geht er seiner Leidenschaft für Pferde und Reiten nach und verpflichtet sich in Algerien als berittener Polizist.
Erst 1924, im Alter von 40 Jahren, entscheidet er sich für seinen alten Beruf und gründet seine eigene Handschuhfabrik, die Ganterie Fabre.
Das Familienunternehmen Maison Fabre
Anfangs schneidet er das Leder selbst mit seinem Bruder und ein paar Hefter nehmen die Arbeit mit nach Hause. Bereits 1928 spezialisiert Fabre sich auf weiße Samthandschuhe. Die Arbeit ist inzwischen auf allen 3 Etagen des Einfamilienhauses angesiedelt, wo nach und nach Kutter und Hefter ihren Platz einnehmen. Etienne Fabre etabliert sich schnell als renommierter Handwerker in seiner Werkstatt in Aveyron.
Einbruch durch den Zweiten Weltkrieg
Das Geschäft läuft gut bis zum Zweiten Weltkrieg, Étienne Fabre stirbt 1941. Erst 1947 erholt sich der Betrieb wieder, inzwischen von seinen Zwillingssöhnen übernommen. Der Sohn Denis und seine Frau Rose, dynamisch und unternehmungslustig, verwandeln die Handschuhmacherei Fabre schnell in ein florierendes Geschäft. Rose kreiert Modelle für die Maisons de Haute-Couture in Paris und zeigt viel Phantasie bei der Umsetzung dieses notwendigen Accessoires in ein raffiniertes Produkt. Rose arbeitet mit verschiedenen Modehäusern in Paris zusammen und ist so erfolgreich, dass bis zu 350 Personen im Familienbetrieb der Fabres fest angestellt werden können. Die Luxus-Handschuhe von Fabre sind weltberühmt.
Ein Kostüm von Coco Chanel, das ab Mitte der 1950er Jahre in Mode kam, war ohne Handschuhe kaum denkbar. 1956 liefert Fabre die Handschuhe für Grace Kelly zur Hochzeit mit Fürst Rainier III. von Monaco. Genauso wie 2014 für Nicole Kidman im Film “Grace de Monaco” über Gracia Patricia.
1966 entwirft Maison Fabre die Rallye-Handschuhe für Jean-Louis Trintignant in Claude Lelouchs “Un homme et une femme” sowie auch die Handschuhe für den passionierten Rennfahrer und Schauspieler Steve McQueen.
Ein Meisterstück der Maison Fabre waren die goldbestickten Lammleder-Handschuhe für den Film von Jean Cocteau “La Belle et la Bête”. Zum 50. Todestag des Dichters gab das Comité Cocteau jetzt eine Wiederauflage in Auftrag.
Niedergang der Handschuhproduktion in den 1970ern
Im Zuge der Studentenrebellion der 68er gegen überholte bürgerliche Ideale kommen Handschuhe, vor allem bei Frauen völlig außer Mode. Viele Betriebe in Millau müssen schließen. Das Maison Fabre unter der Leitung der Enkel des Gründers kann sich durch die Erweiterung des Produktspektrums und eine Erneuerung der Produktionsstätten gegen die Krise des Handwerks stemmen. Dazu holen sie sich die Stylisten Zina de Plagny, Lutz und die in Paris arbeitende Österreicherin Michaela Bürger sowie Chantal Tomass für ihre Handschuhproduktion.
1978 eröffnet Fabre das erste Geschäft in Millau, eine Premiere für einen reinen Handschuhhersteller. 2008 erfolgt die erste Eröffnung einer Boutique in Paris.
2013 belebt Maison Fabre die Geschichte Frankreichs neu mit zwei Modellen von historischen Handschuhen, die mit Talkum parfümiert sind: Die erste, Marie-Antoinette, ist mit Eau d’Ange parfümiert, wie sie ursprünglich von der Königin in ihren Handschuhen getragen wurde. Die zweite, zu Ehren der Kaiserin Josephine, ist mit Frühlingsrose parfümiert.
Im gleichen Jahr wird das Maison Fabre vom Ministerium für Wirtschaft und Finanzen mit dem renommierten Label EPV Entreprise du Patrimoine Vivant ausgezeichnet.
2015 entwirft Maison Fabre für die französische Automarke DS (eine Hommage an die legendäre deésse, die Citroen DS) eine Serie von limitierten Fahrhandschuhen für Damen und Herren. Die Designs sind nur auf Bestellung oder bei DS World in Paris erhältlich.
Im Zentrum Millaus befinden sich seit 2005 in einem Neubau sowohl die Fertigung, ein Ausstellungsraum und die Büros der Ganterie Fabre. Die Fertigung kann jeweils an Freitagen das ganze Jahr über besichtigt werden. Von diesem Angebot machen bis zu 20.000 Besucher pro Jahr Gebrauch.
Das Leder für die Handschuhe stammt heute vorwiegend aus biologischer Rinderzucht und seit 2018 können alle Lederabfälle auch komplett recycelt werden.
Im Ausstellungsraum der Ganterie Fabre im Pariser Palais Royal werden die jeweils neuesten Kreationen der Firma ausgestellt. Dort sind je nach Jahreszeit unter anderem Produkte aus hochglänzendem Leder, aus Fischleder, aus Lammleder oder aus Nerz, sowie Taschen aus bedrucktem oder gepresstem Leder zu sehen.
Heute ist die Ganterie Fabre neben Causse Gantier von 1892 eine der wenigen Handwerksbetriebe, die noch in Millau Handschuhe und andere Lederwaren für eine qualitätsbewusste Kundschaft fertigen. Das Maison Causse zählt u.a. auch Karl Lagerfeld zu seinen Kunden.
Siegbert Mattheis